Umstellung gelungen: Seit Freitag ist das Hubble-Weltraumteleskop wieder in Betrieb und sammelt astronomische Daten – mit nur einem Gyroskop statt wie zuvor dreien. Das macht die Zielpeilung des Teleskops zwar etwas langsamer, umgeht aber die zuvor immer wieder auftretende Fehlfunktion eines der restlichen Lagesensoren, wie die NASA berichtet. Dies verlängert die Lebensdauer des schon 34 Jahre alten „Auges im All“.
Das 1990 in den Orbit gebrachte Hubble-Weltraumteleskop ist bis heute eines der wichtigsten Instrumente der Astronomie. Ihm verdanken wir einzigartige Aufnahmen des Kosmos, aber auch bahnbrechende astronomische Erkenntnisse. Voraussetzung für die Arbeit des Teleskops ist allerdings, dass es seine Ziele präzise anvisieren kann. Dafür nutzt Hubble eine ganze Reihe von Sensoren, darunter Magnetometer, Sonnenstandsmesser, Sternen-Tracker und visuelle Fine-Guidance-Sensoren sowie ursprünglich sechs Gyroskope – drei aktive und drei in Reserve.
Die Gyroskope, oder Kreiselinstrumente, messen auf Basis des Trägheitsprinzips die Ausrichtung und Bewegung des Teleskops im Raum. Jedes von ihnen enthält ein Rad, das sich konstant mit 19.200 Umdrehungen pro Minute dreht. Dreht oder neigt sich nun das Teleskop, verändert dies die Achse des Gyroskops und diese Abweichung verrät die Lageänderung und deren Ausmaß und Geschwindigkeit.
Fehler im dritten Gyroskop
Doch seit der letzten Wartungsmission mit dem Space-Shuttle sind drei dieser sensiblen Trägheitssensoren ausgefallen, ein vierter sendete seit Monaten wiederholt fehlerhafte Daten. „Dadurch fiel das Teleskop immer wieder in den ‚Safe Mode‘ und wissenschaftliche Beobachtungen mussten pausieren, während das Teleskop auf Instruktionen von der Bodenstation wartete“, erklärt die NASA. Am 4. Juni 2024 hatte die US-Raumfahrtbehörde daher angekündigt, das Hubble-Teleskop auf einen neuen Modus umzustellen – die Peilung mit nur einem Gyroskop.
Diese Umstellung ist nun gelungen: „Das Hubble-Teleskop ist nun erfolgreich in einen alternativen Betriebsmodus gewechselt, der nur ein Gyroskop nutzt, und seit Freitag hat das Teleskop seinen täglichen Wissenschaftsbetrieb wiederaufgenommen“, teilt die NASA mit. Das Teleskop und seine Instrumente seien stabil und funktionierten normal. Es nutzt nun einen der beiden noch zuverlässig funktionierenden Gyroskope zur Lagebestimmung, der zweite bleibt abgeschaltet in Reserve.
So funktioniert der „Ein-Gyroskop-Modus“
Wie aber funktioniert die Peilung mit nur einem Gyroskop? Normalerweise sorgt erst die Kombination von drei in die drei Richtungen des Raums gerichteten Kreiselinstrumenten für eine vollständige Lageinformation. „Im Ein-Gyro-Modus ersetzen die Magnetometer, Sonnensensoren und Sternen-Tracker die ausgefallenen Gyroskope“, erklärt die NASA. Im ersten Schritt nutzt das Hubble-Teleskop dabei das verbliebene Kreiselinstrument zusammen mit Magnetometern und Sonnensensor, um sein Ziel grob bis auf rund zehn Grad genau anzupeilen.
Dies erlaubt es dem an seiner Vorderseite angebrachten Sternen-Tracker, die in diesem Gebiet sichtbaren Sternenkonstellationen mit einer Karte abzugleichen und so die Position des Teleskops weiter bis auf einige Zehntel Bogensekunden zu präzisieren. Dies wiederum ermöglicht es den Fine-Guidance-Sensoren, die Feinjustierung zu übernehmen. Diese rund um das Sehfeld des Teleskops sitzenden Kameras sorgen mithilfe der Interferometrie und einem angepeilten Leitstern dafür, dass Hubble sein Zielobjekt innerhalb eines nur 20 Millibogensekunden großen Bereichs im Blick behält.
Langsamer, aber arbeitsfähig
„Sobald Hubble sein Ziel anvisiert hat, ist seine Stabilität im Ein-Gyroskop-Modus mit der des Normalbetriebs mit drei Gyroskopen nahezu vergleichbar“, erklärt die NASA. Allerdings dauert das Anvisieren eines neuen Zielobjekts und die Justierung des Teleskops länger als zuvor. Dadurch verkürzt sich die Beobachtungszeit. Auch der beobachtbare Himmelsausschnitt hat sich leicht verkleinert, so die Raumfahrtbehörde.
Das Weltraumteleskop kann zudem nun keine sich schnell bewegenden Objekte verfolgen, darunter beispielsweise Asteroiden, die der Erde näher sind als die Marsbahn. Auch kurzlebige Ereignisse wie eine Supernova oder den Einschlag eines Asteroiden auf einem unserer Nachbarplaneten können Astronomen nun mit dem Hubble-Teleskop nicht mehr so schnell ins Visier nehmen. „Zusammengenommen können diese Faktoren zu einer Verringerung der Produktivität von rund 20 bis 25 Prozent gegenüber dem vollen Beobachtungsprogramm mit allen drei Gyroskopen führen“, erklärt die NASA.
Dafür hat der Ein-Gyro-Modus den Vorteil, dass der zweite noch funktionierende Lagesensor in Reserve gehalten werden kann. Er ist zurzeit abgeschaltet und soll als Ersatz dienen, wenn das zurzeit eingesetzte Gyroskop ausfällt. Dies verringert das Risiko, dass das Hubble-Teleskop dauerhaft ausfällt, weil keines seiner Gyroskope mehr korrekt arbeitet. Die NASA will zudem auch das dritte, fehlerhafte Kreiselinstrument weiter im Auge behalten, um zu sehen, ob es sich wieder stabilisieren lässt und vielleicht doch wieder eingesetzt werden könnte.
Quelle: NASA