Extraterrestrische Chemie: Das für das Leben wichtige Element Phosphor kommt auch im subglazialen Ozean von Enceladus vor, wie Messdaten der NASA-Raumsonde Cassini belegen. Sie zeigen hohe Konzentrationen von Phosphaten in Eiskörnchen, die von den Geysiren des Saturnmonds ins All geschleudert wurden. Dies stützt die Annahme, dass unter der Eiskruste von Enceladus und anderen Eismonden potenziell habitable Bedingungen herrschen – und dass dort auch die chemischen Zutaten für Leben vorhanden sind.
Der Saturnmond Enceladus zählt zu den Himmelskörpern im Sonnensystem, die als vielversprechende Kandidaten für außerirdisches Leben gelten. Denn unter seiner Eiskruste liegt ein Ozean aus flüssigem, wahrscheinlich mineralreichem und alkalischem Wasser. Indizien dafür liefern riesige Fontänen aus Wasserdampf und Eispartikeln, die Wasser aus diesem Ozean zutage fördern und fast im gesamten Saturnsystem verteilen. Analysen durch die NASA-Raumsonde Cassini haben in diesen Eispartikeln bereits hohe Salzgehalte und Hinweise auf eine hydrothermale Aktivität nachgewiesen.
Phosphor als limitierender Faktor
Damit könnte der subglaziale Ozean des Saturnmonds ähnlich lebensfreundliche Bedingungen bieten, wie sie einst auf der Urerde herrschten. Denn auch für die irdische Lebensentstehung gelten die alkalischen hydrothermalen Schlote der Urmeere als vielversprechendes Umfeld. Neben der nötigen Energie lieferte die geochemische Interaktion von Meerwasser und Gestein auch die chemischen Zutaten für das erste Leben. Doch wie sieht es damit im verborgenen Ozean von Enceladus aus?
Sechs Elemente gelten als essenzielle Zutaten für organisches Leben, wie wir es kennen: Kohlenstoff, Wasserstoff, Stickstoff, Sauerstoff, Schwefel und Phosphor. „Von diesen ist Phosphor das am wenigsten häufige“, erklären Frank Postberg von der Freien Universität Berlin und seine Kollegen. Deshalb gilt dieses Element oft als limitierender Faktor bei der Suche nach Leben – auch im All. Bisher konnte Phosphor weder bei Enceladus noch bei anderen Monden mit subglazialen Ozeanen eindeutig nachgewiesen werden.
Phosphat-Peaks im Massenspektrum
Doch neuere geochemische Modelle legen nahe, dass im Wasser von Enceladus‘ Ozean durchaus Phosphate vorhanden sein könnten. Deshalb haben Postberg und sein Team die Daten der Cassini-Sonde noch einmal gezielt daraufhin ausgewertet. Sie analysierten dafür die Massenspektren von 345 Eispartikeln aus dem E-Ring, die einen hohen Gehalt an Natriumsalzen aufwiesen – und damit Indizien für ihren Ursprung im Ozean von Enceladus.
Tatsächlich wurden die Forschenden fündig: Bei neun dieser Eispartikel zeigten die Analysedaten charakteristische Signaturen. „Es waren Peaks bei den molekularen Massen 125, 165 und 187 zu erkennen, deren Muster kennzeichnend für hohe Konzentrationen von Natriumphosphaten in diesen Eiskörnchen waren“, berichten Postberg und sein Team. „Dies legt nahe, dass Phosphor zumindest in den oberen Regionen von Enceladus‘ Ozean reichlich verfügbar ist.“
Phosphatreicher als die irdischen Meere
Wie hoch der Phosphatgehalt im subglazialen Wasser sein könnte, errechnete das Team auf Basis des Phosphatanteils in den Eispartikeln und des Anteils der phosphathaltigen Eispartikel an ihrer Gesamtprobe. Das Ergebnis: Das Wasser des Ozeans unter Enceladus‘ Eiskruste könnte 0,8 bis 21 Millimol Phosphate enthalten. „Damit liegen die Phosphatkonzentrationen mehrere hundert Mal über den durchschnittlichen Phosphatwerten in den irdischen Ozeanen“, erklären die Forschenden.
Ergänzende Laborversuche zeigten, unter welchen Bedingungen diese Phosphate in Enceladus Ozean entstanden sein könnten. Ausschlaggebend dafür sind demnach geochemische Wechselwirkungen an der Kontaktzone von Gestein und Wasser. Je alkalischer dabei das Wasser ist, desto weniger Hitze ist für die entsprechenden chemischen Reaktionen nötig. „Bei pH 9,5 müsste das Wasser eine Temperatur von 80 Grad oder weniger haben. Liegt der pH-Wert bei 10,5, würden schon Temperaturen unter 65 Grad reichen“, berichtet das Team.
Gute Voraussetzungen für außerirdisches Leben
Diese Ergebnisse legen nahe, das der subglaziale Ozean von Enceladus reichlich Phosphor in Form von Phosphaten enthält. „Die Cassini-Daten lassen nun keinen Zweifel mehr daran, dass erhebliche Mengen dieser wichtigen Substanz im Ozean vorhanden sind“, sagt Postberg. Damit wäre dieses essenzielle Element kein limitierender Faktor für außerirdisches Leben in den Tiefen des Eismonds. Die ergänzenden Analysen liefern zudem weitere Indizien dafür, dass das Wasser unter Enceladus‘ Kruste tatsächlich alkalisch und mäßig warm sein könnte.
Damit könnten auf Enceladus potenziell lebensfreundliche Bedingungen herrschen. „Es ist also höchste Zeit, dass wir zu Enceladus zurückkehren, um zu sehen, ob sich aus den guten Ausgangsbedingungen tatsächlich Leben entwickelt hat“, sagt Koautor Nozair Khawaja von der FU Berlin.
Relevant auch für Exoplaneten und Exomonde
Nach Ansicht der Wissenschaftler wirft dies auch neues Licht auf die potenzielle Lebensfreundlichkeit anderer Eismonde im äußeren Sonnensystem. Denn auch in den subglazialen Ozeanen der Jupitermonde Europa und Ganymed könnte es ähnliche geochemische Bedingungen geben. „Enceladus‘ Ozean könnte damit ein Vorbote für eine hohe Phosphorverfügbarkeit in den unter der Kruste liegenden Ozeanen des äußeren Sonnensystems sein“, konstatieren Postberg und seine Kollegen.
Dies ist auch relevant für die Suche nach Leben in anderen Planetensystemen. Denn die klassische habitable Zone umfasst nur die Entfernung von einem Stern, in der auf der Oberfläche eines Planeten flüssiges Wasser existieren kann. Die subglazialen Ozeane der Eismonde erweitern jedoch die Möglichkeiten auch um weiter vom Stern entfernte Himmelskörper. Auf ihnen könnte Leben unter der Oberfläche vorhanden sein. (Nature, 2023; doi: 10.1038/s41586-023-05987-9)
Quelle: Nature