Planetarer Edelsteinregen: Im Inneren der Eisplaneten Uranus und Neptun regnet es Diamanten, wie nun ein Experiment bestätigt. Demnach reichen Druck und Temperatur in den beiden Eisriesen aus, um Kohlenwasserstoffe zu zerlegen und den Kohlenstoff zu Diamantkristallen zu komprimieren. Die Kristalle sinken in Richtung Planetenkern und könnten erklären, warum Uranus und Neptun wärmer sind als sie sein dürften. Auch ihr ungewöhnliches, mehrpoliges Magnetfeld könnte auf den Diamantregen zurückgehen, wie das Team in „Nature Astronomy“ berichtet.
Uranus und Neptun sind eisige Exoten: Sie besitzen als einzige Planeten im Sonnensystem ein vierpoliges Magnetfeld und sind weder Gesteinsplaneten noch Gasriesen. Stattdessen liegt unter ihrer dichten Gashülle ein Mantel aus Wassereis, Ammoniak, Gesteinsbrocken und verschiedenen Kohlenwasserstoffen – darunter auch exotische Verbindungen, die es auf der Erde nicht gibt. Sie entstehen, weil im Inneren der beiden Planeten mehr Hitze und Druck herrschen als in der Tiefe unserer deutlich kleineren Heimatwelt.
Von Methan und Co zu Diamanten
Jetzt zeigt sich, dass Uranus und Neptun sogar einen echten Schatz in ihrem Inneren bergen: In ihnen regnet es wahrscheinlich Diamanten, wie ein Experiment nun bestätigt. Ein Team um Mungo Frost vom SLAC National Accelerator Laboratory in Kalifornien hat sie durchgeführt, um die Bedingungen zu untersuchen, unter denen Kohlenwasserstoffe im Inneren der beiden Eisplaneten zerfallen. Frühere Studien hatten bereits darauf hingedeutet, dass aus dem freiwerdenden Kohlenstoff dann Diamanten entstehen könnten.
Doch wie viel Druck und Hitze ist dafür nötig? Reichen die Bedingungen im Inneren von Uranus und Neptun aus? „Bisher gab es dazu große Uneinigkeit“, erklären die Forschenden. So ergaben Experimente mit lasergetriebener Schockkompression von Methan, dass Diamanten erst bei mehr als 140 Gigapascal Druck und gut 3.700 Grad Hitze entstehen. Andere Experimente kamen hingegen auf weit niedrigere Werte, was aber nach Ansicht einiger Forscher auf Kontamination durch metallische Laserabsorber zurückgehen könnte.
Hochdruck-Experiment als Eisriesen-Analog
Um die Diskrepanz zu klären, haben Frost und sein Team am Röntgenlaser European XFEL neue Experimente durchgeführt. Dafür setzten sie den als geeignetes Modell geltenden Kohlenwasserstoff Polystyrol – gängige Grundlage für Schaumstoff und Styropor – in einer Diamantstempelzelle zunehmenden Drücken aus. Parallel dazu erhitzten sie die Probe durch kurze Röntgen-Laserpulse und überwachten mittels Röntgenstreuung die Struktur des Materials. Um Metallkontaminationen zu vermeiden, verwendeten sie das nicht reaktive Gold als Laserabsorber.
Das Ergebnis: Der Kohlenwasserstoff wandelte sich bei rund 2.300 Grad und Drücken von 19 bis 27 Gigapascal in Diamant um. Dabei entsteht nach rund 30 Mikrosekunden zunächst ein sehr feines Diamantpulver. „Nach rund 40 Mikrosekunden beginnen sich dann größere Diamantkristalle zu bilden, wie an deutlich erkennbaren Flecken im Streuungsmuster erkennbar ist“, berichten Frost und sein Team. Insgesamt entstehen diese Diamanten damit schon bei geringerem Druck und weniger Hitze als zuvor angenommen.
Diamantregen beeinflusst Wärme und Magnetfeld
Für Uranus und Neptun bedeutet dies: „Schon in den oberen Schichten ihres Mantels herrschen Bedingungen, bei denen wir eine Diamantbildung beobachtet haben“, berichten Frost und seine Kollegen. Im Inneren dieser beiden Eisriesen gibt es demnach Diamanten, die in das tiefe Innere hinabsinken – es regnet Diamantkristalle.
Dieser Diamantregen hat Auswirkungen auf den Wärmehaushalt und möglicherweise auch das Magnetfeld der beiden Eisriesen. Der Grund für ersteres: Wenn Kohlenwasserstoffe aufgespalten und in Diamant umgewandelt werden, setzt dies Wärme frei. „Die geringe Bildungstiefe der Diamanten lässt sie zudem absinken und erzeugt dabei noch mehr potenzielle Wärme „, erklären die Forschenden. Diese könnte erklären, warum die Planeten trotz ihrer Sonnenferne relativ warm sind.
Ein zweiter Effekt: Der Diamantregen reißt auch Gas und Eis mit in die Tiefe und kann so Konvektionsströmungen im Mantel der beiden Eisplaneten verursachen. Weil dabei auch leitfähige Moleküle in Bewegung geraten, könnten sie zum ungewöhnlichen Magnetfeld von Neptun und Uranus beitragen. „Die Konvektion und daraus resultierende Dynamo-Aktivität gelten als Urheber der komplexen, mehrpoligen Magnetfelder der Eisriesen“, schreiben Frost und sein Team.
Diamanten auch in extrasolaren Mini-Neptunen
Die neuen Erkenntnisse haben aber auch Bedeutung für Exoplaneten und andere Himmelskörper: Wenn Kohlenwasserstoffe schon bei den jetzt ermittelten niedrigeren Drücken und Temperaturen zu Diamant werden, dann könnte dies auch auf kleineren Himmelskörpern als zuvor gedacht geschehen. „Zwar sind zehn Gigapascal mehr als in den Eismonden des Sonnensystems herrschen, aber es wurden schon viele Exoplaneten entdeckt, deren Dichte zu einer eisreichen Zusammensetzung passt und deren Größen zwischen Erde und Neptun liegen“, erklärt das Team.
Das bedeutet, dass es beispielsweise auch im Inneren der relativ häufigen Sub-Neptune einen Diamantregen geben könnte. „Diese Mini-Neptune sind wegen ihrer Häufigkeit und ihres Wasserreichtums von besonderem Interesse“, schreiben Frost und seine Kollegen. „Wenn auch in ihnen Diamanten entstehen, dann könnte dies ihre Geodynamik, atmosphärische Zusammensetzung und planetare Entwicklung beeinflussen. (Nature Astronomy, 2024; doi: 10.1038/s41550-023-02147-x)
Quelle: Nature, European XFEL