Verräterisches Signal: Eine neu entdeckte Zwerggalaxie sendet einen Überschuss an Gammastrahlen aus, wie Astronomen festgestellt haben. Dieser sei nicht durch normale kosmische Prozesse erklärbar – und könnte daher ein Signal der lange gesuchten Teilchen der Dunklen Materie sein. Denn diese senden solche energiereichen Strahlen aus, wenn sie miteinander kollidieren und sich auslöschen.
Mehr als drei Viertel aller Materie im Universum ist Dunkle Materie. Sie ist es, deren Schwerkraft Galaxien zusammenhält und die messbare Fluktuationen in der kosmischen Hintergrundstrahlung erzeugt. Woraus sie aber besteht, ist noch immer rätselhaft. „Der Nachweis der Schwerkraftwirkung der Dunklen Materie verrät uns leider nichts über das Verhalten von Teilchen in der Dunklen Materie“, erklärt Matthew Walker von der Carnegie Mellon University in Pittsburg.
Fahndung nach dem WIMP-Signal
Einer gängigen Theorie nach könnte die Dunkle Materie aus einer exotischen Teilchensorte bestehen, den sogenannten WIMPs (Weakly Interacting Massive Particles). Diese verhalten sich wie ihre eigenen Antiteilchen und löschen sich gegenseitig aus, wenn sie kollidieren. Dabei werden Gammastrahlen frei – und genau nach einem solchen Gammastrahlensignal suchen Astrophysiker daher schon seit langem.
Das Problem dabei: Gammastrahlen werden auch bei unzähligen anderen kosmischen Prozessen frei, darunter Schwarzen Löchern, Pulsaren oder Gammastrahlenausbrüchen. Auch in der Milchstraße und der Andromeda-Galaxie haben Astronomen bereits leichte Gammastrahlen-Überschüsse registriert. Ob es sich dabei aber um das schwache Signal von WIMPs handelt, ist wegen des Störfeuers extrem schwer festzustellen. Zwerggalaxien jedoch könnten eine Chance bieten, denn sie besitzen meist keine störenden Gammastrahler, wie die Forscher erklären.
Gammastrahlen-Signal aus Reticulum 2
Walker, sein Kollege Alex Geringer-Sameth und weitere Forscher könnten nun tatsächlich ein Signal aus einer Zwerggalaxie nachgewiesen haben. Diese Galaxie, Reticulum 2, wurde gerade erst im Rahmen des Dark Energy Survey entdeckt. Sie liegt rund 98.000 Lichtjahre von der Erde entfernt – und damit für eine Zwerggalaxie ziemlich nah. Mit Hilfe des Fermi-Gammastrahlen Weltraumteleskops der NASA registrierten die Forscher aus der Richtung dieser Galaxie erhöhte Gammastrahlung.
„Irgendetwas aus der Richtung dieser Zwerggalaxie emittiert Gammastrahlung“, sagt Geringer-Sameth. Die Daten zeigten einen Überschuss an, der über das hinausgeht, was man von normalen Hintergrundprozessen erwarten würde. „Es gibt aber keinen konventionellen Grund, warum diese Galaxie eine solche Strahlung aussenden sollte – es könnte daher potenziell ein Signal der Dunklen Materie sein.“
„Auf jeden Fall ziemlich interessant“
Die Forscher betonen allerdings, dass es sich nur um vorläufige Daten handelt. Die Wahrscheinlichkeit für ein Signal, das nicht durch Störfeuer erzeugt wird, liege bei 2,3 Sigma – das ist nicht sehr viel. „Aber selbst wenn man das berücksichtigt, hat Reticulum 2 das bisher signifikanteste Signal aller bekannten Zwerggalaxien“, so die Astrophysiker. „Die Tatsache dass hier ein Gammastrahlen-überschuss und ein Klumpen Dunkler Materie in der gleichen Richtung liegen, ist auf jeden Fall ziemlich interessant“, so Walker. (Physical Review Letters, in press; arXiv:1503.02320)
(Brown University, 12.03.2015 – NPO)