Virtuelle Sonneneruption: Forschern ist es erstmals gelungen, einen solaren Ausbruch vollständig im Computer nachzubilden. Ihre Simulation erzeugte allein auf Basis günstiger Ausgangsbedingungen die typischen Plasma- und Strahlungs-Eruptionen – und zeigte die Vorgänge von tief unter der Sonnenoberfläche bis hinauf in die Korona. Diese virtuellen Flares könnten nun helfen, die Entstehung der solaren Ausbrüche weiter zu enträtseln.
Bei solaren Ausbrüchen schleudert unserer Sonne heißes Plasma und energiereiche Strahlung weit ins All hinaus. Treffen solche Sonnenstürme die Erde, kann selbst das schützende Magnetfeld sie nicht komplett aufhalten. Als Folge entstehen Polarlichter selbst in gemäßigten Breiten und im Extremfall können Satelliten beschädigt werden, der Strom ausfallen und die Radiokommunikation gestört werden. 1967 löste ein Sonnensturm sogar fast einen Atomkrieg aus. Doch trotz der potenziell verheerenden Wirkung starker Sonnenstürme ist die Entstehung der solaren Ausbrüche und Flares noch immer nicht vollkommen geklärt.
Rezept für einen Sonnensturm
Jetzt jedoch ist Sonnenforschern um Mark Cheung vom National Center for Atmospheric Research (NCAR) in Boulder ein wichtiger Durchbruch gelungen. Denn sie haben die Entstehung und den Ablauf eines solaren Ausbruchs erstmals in voller Länge im Computer nachgebildet. Wegen der enormen Komplexität der Vorgänge konnten bisherige Modelle immer nur Teilschritte der Vorgänge rekonstruieren. „Viele Aspekte dazu, wie die solaren Ausbrüche ausgelöst werden, blieben aber spekulativ“, erklären die Forscher.
Für ihr Modell nahmen sich die Wissenschaftler einen realen Sonnenausbruch im April 2014 als Vorbild, bei dem ein Sonnenfleck Dutzende von Strahlenausbrüchen in schneller Folge produzierte. Sie gaben die Ausgangsbedingungen dieses Ausbruchs, darunter die Plasmabewegungen und lokalen Magnetfeld-Veränderungen, in das Modell ein. Würde das Modell auf dieser Basis von selbst einen Sonnenausbruch hervorbringen?
Strahlenausbruch in allen Wellenlängen
Die Hoffnung erfüllte sich: Im Computer entwickelte sich ein solarer Ausbruch, den die Forscher im Detail mitverfolgen konnten. Er zeigte die Strahlungsabgabe und die Plasma- und Magnetfeldlinien-Bewegungen von der Region 10.000 Kilometer unter der Sonnenoberfläche bis 40.000 Kilometer darüber. „Unser Modell zeigte den gesamten Prozess, von der Anreicherung der Energie über das Auftauchen an der Oberfläche bis zum Aufstieg in die Korona und der Freisetzung als Flare“, so Cheungs Kollege Matthias Rempel.
Auf dem Höhepunkt des Flares sind zahlreiche koronare Schleifen zu erkennen, die sich zwischen Bereichen mit entgegengesetzter Magnetpolung des Plasmas bilden. „Der abrupte 100-fache Anstieg der Röntgenstrahlen-Freisetzung entsteht, wenn diese Schleifen sich mit stark strahlendem Hochtemperatur-Plasma füllen“, erklären die Forscher.
Wichtige Einblicke
Der virtuelle Sonnenausbruch glich damit in vielen Aspekten den tatsächlich beobachteten Flares. Das könnte einige typische Merkmale der solaren Ausbrüche erklären helfen, sagen die Forscher. „Dieses Modell liefert uns damit eine Erklärung, warum die Flares so aussehen, wie sie es tun – und das in Wellenlängen vom sichtbaren Licht bis in den Röntgenbereich“, so Cheung.
Interessant auch: Die bei dem virtuellen Flare freigesetzte Energie wurde primär durch thermische Übertragung zwischen Korona und Chromosphäre ausgetauscht. Das widerspricht einigen Theorien, nach denen Plasmaschwingungen wie die sogenannten Alfvén-Wellen für die enorme Hitze der Sonnenkorona und die übertragene Energie verantwortlich sind.
Warum die Korona so viel heißer ist als die Sonnenoberfläche und welche Physik dahintersteckt, soll unter anderem die NASA-Raumsonde Solar Parker Probe klären helfen. Sie umkreist die Sonne zurzeit auf einer Flugbahn, die sie wieder und wieder in die Korona eintauchen lässt. (Nature Astronomy, 2019; doi: 10.1038/s41550-018-0629-3)
Quelle: National Center for Atmospheric Research/ University Corporation for Atmospheric Research