Angeschlagener Gast: Der interstellare Komet 2l/Borisov hat seine Passage durch das Sonnensystem nicht unbeschadet überstanden – sein Kern ist in zwei Teile zerbrochen. Aufnahmen des Weltraumteleskops Hubble zeigen, dass der Nukleus des Eisbrockens seit dem 28. März aus zwei Fragmenten besteht, die sich langsam voneinander entfernen. Wahrscheinlich führte die Wärme der Sonne bei seinem Flug durch das innere Sonnensystem zu diesem Bruch.
Der Komet 2l/Borisov ist schon der zweite interstellare Besucher in unserem Sonnensystem. Nach dem merkwürdig zigarrenförmigen Objekt Oumuamua im Jahr 2017 haben Astronomen den aktuellen „Fremdling“ im August 2019 entdeckt. Im Gegensatz zu seinem Vorgänger zeigt 2l/Borisov dabei alle Merkmale eines echten Kometen: Er scheint vorwiegend aus Eis zu bestehen und besitzt einen Schweif. Im Dezember 2019 hat er den sonnennächsten Punkt seiner Flugbahn passiert und rast nun mit Hochgeschwindigkeit wieder ins All hinaus.
Abbruch eines Kernstücks Ende März
Jetzt zeigen neue Aufnahmen des Weltraumteleskops Hubble, dass 2l/Borisov seinen Flug durch das innere Sonnensystem offenbar nicht unbeschadet überstanden hat. Bilder vom 23. März 2020 zeigen den Nukleus des interstellaren Kometen noch als runde, sternähnliche Lichtquelle – das war der Kometenkern noch intakt. Doch am 28. März hatte sich dies geändert: Der Nukleus erschien nun eher langgezogen.
Einige Tage später bestätigten weitere Aufnahmen die Veränderung: „Aufnahmen von 30.März 2020 zeigen klar einen nicht-stellaren Kern, übereinstimmend mit zwei Komponenten, die um 0,1 Bogensekunde – 180 Kilometer am Kometen – auseinanderliegen“, berichtet ein Team um David Jewitt von der University of California in Los Angeles im Astronomers Telegram. Sie gehen davon aus, dass der Kometenkern zerbrochen ist.
Fragment löst sich langsam auf
Nähere Analysen sprechen dafür, dass das vom interstellaren Kometen abgebrochene Stück bis zu 100 Meter groß war und dass sich die beiden Fragmente mit rund 30 Zentimetern pro Sekunde auseinander bewegten. „Dies ist typisch für das Trennungstempo bei zerbrochenen Kometen im Sonnensystem und passt zur gravitationsbedingten Fluchtgeschwindigkeit des Nukleus von 2l/Borisov“, so Jewitt und sein Team.
Allerdings: Lange hat das Buchstück des interstellaren Kometen nicht überdauert. Aufnahmen vom 2., April 2020 zeigen nur noch ein klar erkennbares Objekt im Kern von 2l/Borisov. „Die andere Komponente ist verschwunden“, berichten Quicheng Zhang vom California Institute of Technology und seine Kollegen. „Stattdessen ist ein diffuser, blobähnlicher Fleck an dieser Stelle sichtbar.“ Das spricht dafür, dass sich das abgebrochene Stück des Kometenkerns allmählich auflöst.
Borisov ist schon wieder fast beim Jupiter
Dass Kometen bei Annäherung an die Sonne auseinanderbrechen oder größere Fragmente abgesprengt werden, ist nichts Ungewöhnliches. Weil Kometenkerne vorwiegend aus Eis bestehen, reagieren sie auf die Sonnenwärme mit verstärkter Ausgasung – das Wassereis verdampft und reißt dabei auch Staub und andere Komponenten mit ins All hinaus. Solche Ausgasungen könnten große Löcher und Krater auf der Kometenoberfläche hinterlassen, wie bei 67P/Churyumov-Gerasimenko beobachtet, aber auch ganze Eisbrocken vom Kern absprengen.
Damit verhält sich 2l/Borisov trotz seiner interstellaren Herkunft wie ein ganz normaler Komet aus unserem Sonnensystem. Nach seiner Passage knapp innerhalb des Mars-Orbit ist der „Fremdling“ inzwischen fast schon wieder auf Höhe der Jupiter-Umlaufbahn angekommen und rast weiter mit 170.000 Kilometer pro Stunde aus unserem Sonnensystem heraus.
Quelle: Astronomers Telegram 13611, 13613, 13618