Staubige Fernwirkung: Der Magnetschweif der Erde beeinflusst die Bewegung von Staubpartikeln auf dem Mond – und bringt sie sogar zum Schweben, wie Forscher herausgefunden haben. Wenn der Mond durch den Magnetschweif wandert, verstärkt der Einfluss des irdischen Magnetfelds demnach Ladungsgegensätze zwischen den Staubkörnchen und der Mondoberfläche. Das wiederum katapultiert die Körnchen in die Höhe und lässt sie weiter fliegen als nur unter dem Einfluss von Sonne und kosmischer Strahlung.
Anders als unsere Ede ist der Mond weder von einer Atmosphäre noch von einem starken Magnetfeld vor Strahlung aus dem All geschützt. Seine Oberfläche wird dadurch ständig von energiereichen, geladenen Teilchen des Sonnenwinds und der kosmischen Strahlung getroffen. Schon länger ist bekannt, dass sich dadurch Teile der Mondoberfläche und des Mondstaubs statisch aufladen können. Als Folge können Staubteilchen wegen gleicher Ladung von der Oberfläche abgestoßen und in die Höhe katapultiert werden.
Rätsel um schwebenden Mondstaub
Merkwürdig jedoch: Weil der Sonnenwind die treibende Kraft dieser fliegenden Mondstaub-Partikel ist, müsste dieser lunare Schwebstaub auf der gesamten Tagseite des Mondes auftreten. Messdaten legen die Präsenz eines solchen staubigen Plasmas auch nahe. Doch physikalische Modelle, die die Mondschwerkraft und die elektrostatischen Prozesse im Regolith nachbilden, konnten diese Schwebteilchen bisher nur für höhere Breiten erklären.
Warum der schwebende Mondstaub auch anderswo auf der Tagseite vorkommt, haben nun Sergey Popel vom Weltraumforschungsinstitut der russischen Akademie der Wissenschaften und sein Team aufgeklärt. Mithilfe eines mathematisch-physikalischen Modells zeigen sie auf, dass auch der Einfluss des irdischen Magnetfelds am Geschehen auf der Mondoberfläche beteiligt ist.
Magneteinfluss bis zum Mond
Den Ansatzpunkt für das neue Modell lieferte die Tatsache, dass der Mond auf seiner Bahn um die Erde immer wieder in den Magnetschweif unseres Planeten eintaucht. Dieser entsteht, weil der Sonnenwind die irdische Magnethülle an ihrer Nachtseite lang nach hinten auszieht – bis in die Mondbahn hinein. Dadurch bewegt sich der Erdtrabant etwa ein Viertel seiner Umlaufzeit in diesem geladenen Plasmaschweif.
Die Folgen zeigen sich vor allem bei Vollmond, wenn die uns zugewandte Seite des Mondes von der Sonne beschienen wird und gleichzeitig im irdischen Magnetschweif steht. Schon 2018 ergab eine Studie, dass Mondoberfläche und lunare Gasteilchen dann besonders stark aufgeladen sind. Das Modell von Propel und seinem Team legt nun nahe, dass dies auch die Levitation von lunaren Staubteilchen entscheidend beeinflusst.
Staubtransport über die ganze Tagseite
Konkret sorgt der Einfluss des irdischen Magnetschweifs dafür, dass sich die vom Sonnenwind erzeugte positive Ladung des Mondstaubs noch verstärkt. Dadurch nimmt die Abstoßung durch die ebenfalls geladene Mondoberfläche zu. Weil dies auch die normalerweise von den widerstreitenden Einflüssen der Mondschwerkraft und der Ladungsgegensetze erzeugten Oszillationen dämpft, können die lunaren Staubteilchen so länger in der Schwebe bleiben, wie das Team erklärt.
„Die magnetischen Felder des irdischen Magnetschweifs ermöglichen damit einen Staubtransport über die lunare Oberfläche, der staubiges Plasma auf der gesamten sonnenbeschienenen Seite des Mondes erzeugt“, schreiben Propel und seine Kollegen. Der irische Magnetschweif trage damit zur Levitation lunarer Staubkörnchen bei. Weil frühere Modelle den Einfluss dieses Plasmaschweifs nicht berücksichtigt hatten, konnten sie auch die volle Ausdehnung dieses Phänomens nicht abbilden.
Die Wissenschaftler hoffen, dass künftige Mondmissionen diesen bisher nur im physikalischen Modell nachgewiesenen Mechanismus bestätigen und präzisieren werden: „In künftigen Studien kann dann auch die Achsenneigung und die Neigung der Orbits beider Himmelskörper gegen die Ekliptik berücksichtigt werden“, sagt Propel. Auch präzisere Parameter für das Plasma des Magnetschweifs könnten die Prozesse noch deutlicher aufschlüsseln. (Physics of Plasmas, 2022; doi: 10.1063/5.0077732)
Quelle: Nationale Forschungsuniversität Moskau