Lunare Hitze: Der Mond war möglicherweise länger vulkanisch aktiv als gedacht. Noch vor rund 120 Millionen Jahren könnte es dort letzte Vulkanausbrüche gegeben haben, wie Forscher in „Science“ berichten. Indizien dafür liefern winzige Vulkanglas-Körnchen, die die chinesische Mondsonde Chang’e-5 im Ozean der Stürme gesammelt hat. Doch woher die für diese späten Eruptionen nötige innere Hitze kam, ist ungeklärt. Denn eigentlich war der Mond dafür längst zu kalt.
Auch wenn der Erdmond heute kalt und tot erscheint – er hat eine feurige Vergangenheit. Davon zeugen Mondproben der Apollo-Missionen, aber auch die ausgedehnten Basaltbecken der lunaren Mare, zahlreiche Lavahöhlen sowie ein großer Vulkankomplex auf der Mondrückseite. Im Ozean der Stürme (Oceanus Procellarum) könnte es einst sogar gewaltige Spalten-Eruptionen gegeben haben, die dieses Mondmeer mit Lava füllten.
Doch wann endete die feurige Phase des Mondes? Lange glaubte man, dass der Mondvulkanismus spätestens vor rund drei Milliarden Jahren erloschen sei. Doch in jüngster Zeit wecken Daten von Mondsonden daran Zweifel. Sowohl Vulkankrater als auch mögliche Gasaustritte und von der chinesischen Mondsonde Chang’e-5 zur Erde gebrachte Proben haben mögliche Hinweise auf jüngere vulkanische Aktivität geliefert.
Fahndung unter 3.000 lunaren Glaskörnchen
Jetzt gibt es neue, überraschende Daten. Sie stammen ebenfalls aus Proben, die die Mondsonde Chang’e-5 an ihrer Landestelle im Ozean der Stürme gesammelt hat. Ein Team um Bi-Wen Wang vom Staatlichen Institut für Geologie und Geophysik in Peking hat aus diesem Mondstaub 3.000 Gesteinsglas-Körnchen herausgesucht und diese chemisch und isotopisch näher untersucht.
Ihr Ziel: Die Forschenden wollten herausfinden, ob sich unter den größtenteils durch Meteoriteneinschläge gebildeten Glaskörnchen vielleicht auch Vulkanglas verbirgt – und wie alt dieses ist. Vulkanglas von Impaktglas zu unterscheiden, ist allerdings nicht einfach: Zwar gibt es Unterschiede bei Spurenelementen wie Nickel, Magnesiumoxid und Calciumoxid sowie der Isotopenverteilung, diese sind aber subtil und zeigen sich erst in der Zusammenschau.
Zusätzlich verglichen Wang und sein Team die Zusammensetzung ihrer Glaskörnchen sowohl mit klassischem lunaren Impaktglas als auch mit Vulkanglas der Apollo-Missionen.
Erstaunlich junges Vulkanglas
Das Ergebnis: Unter den 3.000 lunaren Glaskörnchen waren drei, die alle Kriterien für vulkanisches Glas erfüllten. Diese Körnchen wiesen ähnlich hohe Magnesiumoxid- und Nickelgehalte auf wie das Vulkanglas der Apollo-Proben. Der Anteil des Schwefel-Isotops S34 war dagegen signifikant niedriger als der von lunarem Impaktglas. „Wir interpretieren dies als Indiz dafür, dass die Glaskörnchen 1 bis 3 vulkanischen Ursprungs sind“, konstatieren Wang und sein Team.
Die große Überraschung zeigte sich, jedoch als das Team die Körnchen datierte: Der Uran-Blei-Datierung zufolge sind die drei Vulkanglas-Körnchen erst 123 Millionen Jahre alt. „Das deutet darauf hin, dass es noch vor rund 120 Millionen Jahren einen aktiven Vulkanismus auf dem Mond gegeben hat“, schreiben Wang und seine Kollegen. „Diese Datierung passt damit gut zu den Hinweisen auf jüngere Vulkanaktivität aus Fernerkundungsdaten von Raumsonden, wenngleich diese keine absoluten Daten liefern konnten.“
Woher kam die nötige Hitze?
Nach Ansicht der Forscher liefern ihre Analysen damit den definitiven Beweis dafür, dass der Mond weit länger vulkanisch war als bisher angenommen. Doch wie ist dies zu erklären? Eigentlich ist der Mond zu klein, um die Hitze seiner Entstehungszeit lange in seinem Inneren halten zu können. Sein Mantel müsste daher schon vor Milliarden Jahren ausgekühlt und erstarrt sein. Nur der Mondkern und die Übergangszone zum unteren Mantel könnten noch genügend Restwärme aufweisen, um zumindest teilweise geschmolzen zu sein.
Wie aber ist dann der junge Mondvulkanismus zu erklären? Einen ersten Hinweis darauf könnten die erhöhten Thorium- und Seltenerd-Konzentrationen der drei lunaren Vulkanglas-Körnchen liefern: „Sie könnten daraufhin deuten, dass dieser späte Vulkanismus auf die lokale Anreicherung von hitzeerzeugenden Elementen in den Quellen dieses Magmas zurückgeht“, erklären Wang und seine Kollegen. Der Zerfall dieser radioaktiven Elemente im Mondmantel könnte demnach das Gestein geschmolzen und so den Rohstoff für die späten Vulkanausbrüche geliefert haben.
Ein letztes Aufflackern
Allerdings: Auch Wang und sein Team gehen davon aus, dass diese späten Ausbrüche eher klein und selten waren – quasi ein letztes kleines Aufflackern des lunaren Vulkanismus. Das würde auch erklären, warum die Forscher nur so wenig Vulkanglas in ihren Proben gefunden haben und es auch sonst nur vereinzelte Indizien für junge Vulkantätigkeit auf dem Erdtrabanten gibt. (Science, 2024; doi: 10.1126/science.adk6635)
Quelle: Science, Chinese Academy of Sciences Headquarters