Gekippte Achse: Der Südpol von Enceladus könnte einst an seinem Äquator gelegen haben – bis ein Kippen der Rotationsachse den Saturnmond in seine heutige Ausrichtung brachte. Indizien für einen solchen Polsprung haben Forscher in der ungewöhnlichen Topografie des Mondes gefunden. Zum Umkippen könnte den Mond einst ein gewaltiger Einschlag gebracht haben – und dieser erschuf gleichzeitig das Wasserdampf-speiende Südpol-Terrain.
Der Saturnmond Enceladus ist in gleich mehrerer Hinsicht spannend: Unter seiner eisigen Kruste verbirgt sich wahrscheinlich ein subglazialer Ozean, in dem es heiße hydrothermale Schlote gibt – und damit vielleicht sogar lebensfreundliche Bedingungen. Zudem steigen an der von streifenartigen Rissen durchzogenenen Südpolregion enorme Wassereis-Fontänen bis ins All hinauf.
Eine weitere ungewöhnliche Eigenheit des Saturnmonds haben nun möglicherweise Radwan Tajeddine von der Cornell University in Ithaca und seine Kollegen aufgedeckt. Denn sie vermuten, dass Enceladus in seiner Vergangenheit umgekippt ist – seine Rotationsachse muss sich stark verschoben haben.
Topografische Auffälligkeiten
Indizien dafür liefern topografische Daten der NASA-Raumsonde Cassini. „Wir haben eine Kette von tiefliegenden Gebieten und Becken entdeckt, die wie ein Gürtel um den Saturnmond zieht“, berichtet Tajeddine. „Wir glauben, dass es sich hier um fossile Relikte der einstigen Äquatorregion handelt.“ Zusätzlich gibt es auf Enceladus zwei einander fast genau gegenüber stehende Gruppen von Senken, die die Forscher als ehemalige Pole einordnen.
Um diese Landmarken in ihre heutige Position zu bringen, muss die Rotationsachse des Saturnmonds sich um 55 Grad verschoben haben, sagen die Forscher. Enceladus kippte demnach einst auf die Seite. Eine solche echte Polwanderung ist im Sonnensystem keine Seltenheit, auch bei Pluto und Mars vermuten Planetenforscher eine starke Verschiebung der Rotationsachse.
Einschlag als Auslöser?
Die Ursache für das Umkippen könnte ein großer Einschlag in der heutigen Südpolregion von Enceladus gewesen sein – dem Gebiet, in dem Wasserdampf aus den Rissen in der Kruste aufsteigt. „Es ist unwahrscheinlich, dass die geologische Aktivität in diesem Terrain durch interne Prozesse ausgelöst wurde“, sagt Tajeddine. „Wir glauben, dass ein Einschlag hinter der Bildung dieses ungewöhnlichen Terrains stand.“
Dieser Einschlag könnte zu einer Verschiebung der Massenverteilung geführt haben und damit zu einer Unwucht in der Rotation des Saturnmonds, wie die Forscher erklären. Diese ließ den Mond taumeln und machte seine Bewegung instabil. Um die ungleiche Massenverteilung auszugleichen und sich zu stabilisieren, kippte Enceladus schließlich auf die Seite. (Icarus, 2017; doi: 10.1016/j.icarus.2017.04.019)
(NASA, 31.05.2017 – NPO)