Folgenschwerer Impakt: Der größte Mond des Sonnensystems könnte vor rund vier Milliarden Jahren umgekippt sein – Ganymeds gesamte Kruste verrutschte. Auslöser dafür war der Einschlag eines 300 Kilometer großen Asteroiden auf dem Jupitermond, wie ein Planetenforscher nun in „Scientific Reports“ berichtet. Indizien dafür sieht er in der Lage der konzentrischen Einschlagsspuren, die noch heute auf Ganymed sichtbar sind. Ob seine Theorie stimmt, könnte die Raumsonde JUICE in einigen Jahren vor Ort überprüfen.
Der Jupitermond Ganymed ist in mehrfacher Hinsicht außergewöhnlich: Er ist der größte Mond im Sonnensystem und besitzt als einziger ein Magnetfeld und eine Wasserdampf-Atmosphäre. Sein Innenleben ist zudem ebenso komplex wie rätselhaft: Unter der Eiskruste des Mondes verbirgt sich ein Ozean aus flüssigem Wasser, möglicherweise gibt es dort auch wechselnde Schichten aus Wasser und Eis. Ganymed gilt deswegen als vielversprechender Kandidat für außerirdisches Leben im Sonnensystem.
Das Geheimnis der Furchen
Doch Ganymed hat noch eine weitere Besonderheit: Seine Oberfläche ist von uralten, tausende Kilometer langen und bis zu 700 Kilometer tiefen Furchen durchzogen. Ihre Ausrichtung legt nahe, dass sie auf einen gigantischen Einschlag in der Frühzeit des Mondes vor rund vier Milliarden Jahren zurückgehen. „Dieses Furchensystem ist die größte Impaktstruktur im äußeren Sonnensystem“, erklärt der Planetenforscher Naoyuki Hirata von der Universität Kobe. „Doch wie groß der Asteroid war und welche Folgen sein Einschlag hatte, ist unklar.“
Um mehr Klarheit zu schaffen, hat Hirata nun die Lage und Ausdehnung der Furchen noch einmal näher untersucht. Dabei fiel ihm auf: Das Zentrum von Ganymeds Furchensystem liegt genau in der Gezeitenachse – gegenüber von der stets dem Jupiter zugewandten Seite des Jupitermonds. Die Einschlagsspuren bilden dadurch einen Gegenpol zur Anziehungskraft des Gasriesen.
Verrutschte Kruste
Das ist möglicherweise kein Zufall, wie Hirata erklärt. Denn bei Monden in gebundener Rotation – wie Ganymed oder der Erdmond – kann ein großer Massenüberschuss an einer Stelle der Kruste zu einer Unwucht führen. Irgendwann sorgen die einwirkenden Kräfte dann dafür, dass die Kruste verrutscht. „Die positive Schwereanomalie nähert sich dadurch der Gezeitenachse an“, erklärt der Forscher. Dies verleiht dem Himmelskörper eine stabilere Lage.
Ein solches „Umkippen“ könnte auch der Zwergplanet Pluto nach einem Einschlag erlebt haben, wie US-Forscher 2016 ermittelten. Das Wichtige für Ganymed jedoch: Das Verrutschen der Kruste kann Aufschluss darüber geben, wie massereich der auslösende Einschlag gewesen sein muss. Hirata nutzte daher eine spezielle Modellsimulation, um dies für Ganymed zu untersuchen. „Bisher war es schwer, die Größe des Impaktors zu ermitteln, weil ein klarer Kraterrand auf Ganymed fehlt“, erklärt er.
20-mal größer als der „Dinokiller“
Die Analysen ergaben: Der Jupitermond Ganymed könnte von einem gigantischen, rund 300 Kilometer großen Asteroiden getroffen worden sein. Dieser Brocken war damit 20-mal größer als der Asteroid, der vor 66 Millionen Jahren die Dinosaurier vernichtete und eine globale Katastrophe auslöste. Sein Einschlag auf Ganymed muss einen 700 bis 800 Kilometer große Übergangskrater erzeugt haben, bevor dieser zurückfederte, kollabierte und das Furchensystem schuf, wie Hirata erklärt.
Ob dieses Szenario stimmt, könnte in naher Zukunft die Raumsonde JUICE verraten, die zurzeit zu den Eismonden des Jupiter unterwegs ist. Sie soll vor allem Ganymed erstmals genauer kartieren und untersuchen. „Viele Regionen Ganymeds sind noch nicht mit ausreichend hoher Auflösung kartiert“, schreibt Hirata. Daher sei es zurzeit schwierig, mögliche weitere Einschlagsspuren auf dem Jupitermond zu finden und zu bewerten.
„Auch die thermischen und strukturellen Folgen des Einschlags für das Innere des Eismonds sind bisher noch gar nicht untersucht“, so der Planetenforscher. Die ab 2031 von JUICE gesammelten Daten könnten dies jedoch ändern und neue Einblicke in die Entwicklung des größten Monds im Sonnensystem bieten. (Scientific Reports, 2024; doi: 10.1038/s41598-024-69914-2)
Quelle: Kobe University