
Die Bahnen einiger Kuipergürtel-Objekte (pink) und von Planet 9 © Caltech/ R. Hurt (IPAC)
Enge Begegnungen im Sternencluster
„Ein solches Einfang-Szenario muss drei Bedingungen erfüllen: Die Begegnung muss weiter als 150 astronomische Einheiten entfernt stattgefunden haben, sonst wäre der Kuipergürtel nachhaltig gestört worden, der Planet muss eine mindestens 100 astronomische Einheiten weit außen liegende Umlaufbahn um seinen Ursprungsstern gehabt haben und der Orbit um die Sonne muss zu den physikalischen Gegebenheiten passen“, erklären die Forscher.
Wie die Simulationen ergaben, ist es durchaus denkbar, dass während der rund 100 Millionen Jahre dauernden Clusterphase der jungen Sonne ein Austausch von Planeten stattfand. Den Berechnungen nach kommt es für sonnenähnliche Sterne in solchen Clustern in fast 80 Prozent der Fälle zu einer nahen Begegnung mit einem Nachbarstern mit weniger als 1.000 AU Abstand.
Erst geschubst, dann „gestohlen“?
Weniger häufig ist allerdings das Vorkommen von neptungroßen Planeten in sehr weiten oder stark exzentrischen Orbits. „Zwar haben Beobachtungen eine Handvoll von massereichen Super-Jupitern in sehr weiten Orbits um junge Sterne enthüllt“, sagen Mustill und seine Kollegen. Kleinere Planeten jedoch entstehen meist durch Akkretion – und dafür gibt es so weit entfernt von ihrem Stern nicht genügend Masse.
Eine Möglichkeit gibt es jedoch: Planet 9 könnte durch Schwerkraft-Wechselwirkungen in seinem Ursprungssystem aus seiner ursprünglich engeren Bahn auf einen stärker exzentrischen und weiteren Orbit geschleudert worden sein. „Planet 9 könnte durch andere Planeten ‚geschubst‘ worden sein“, so Mustill. „Unsere Sonne nutzte dann die Chance und stahl ihn von seinem Heimatstern. Als sie dann den Cluster verließ, blieb Planet 9 im jungen Sonnensystem gefangen.“
Alexander Mustill erklärt, warum Planet 9 ein Exoplanet sein könnte.© Lund University
Nicht unmöglich
Den Berechnungen der Forscher nach summieren sich die Wahrscheinlichkeiten für dieses Szenario zu einem Wert von maximal einem Prozent – nicht gerade viel. Dennoch sei dies noch immer deutlich mehr als die Wahrscheinlichkeiten, die Mike Brown und Konstantin Batygin vom California Institute of Technology in ihren Kalkulationen für eine Sonnensystem-interne Entstehung des Orbits von Planet 9 ermittelt hätten.
Solange Planet 9 nicht gefunden wird, bleiben auch diese Simulationen bloße Theorie. Doch mit der Entwicklung besserer Teleskope könnte man im äußeren Sonnensystem Belege für die extrasolare Herkunft des Planeten finden. Denn wurde er eingefangen, dann muss die solare Schwerkraft auch weitere, kleinere Himmelskörper mitangezogen haben – und sie müssten heute in einem sehr ähnlichen Orbit wie Planet 9 zu finden sein.
“ Es ist schon fast ironisch, dass Astronomen inzwischen Exoplaneten hunderte von Lichtjahren entfernt von uns aufspüren, sich aber einer wahrscheinlich von ihnen in unserem eigenen Hinterhof versteckt“, sagt Mustill. (Monthly Notices of the Royal Astronomical Society: Letters, 2016; doi: 10.1093/mnrasl/slw075)
(Lund University, 01.06.2016 – NPO)
1. Juni 2016