Ringträger im Visier: Das James-Webb-Teleskop hat erstmals den Asteroiden Chariklo und seine Ringe in den Fokus genommen. Seine Nahinfrarotkamera zeichnete die Lichtkurven auf, die bei einer Sternbedeckung durch diesen seltenen Vertreter der beringten Asteroiden entstanden. Dies liefert wertvolle Informationen über Struktur und Zusammensetzung solcher Asteroidenringe. Ersten Auswertungen zufolge scheinen diese Ringe ständig frischen Eis-Nachschub zu erhalten.
Lange kannte man Ringe nur von großen Gasplaneten wie Saturn, Jupiter oder Uranus. Doch im Jahr 2014 entdeckten Astronomen erstmals einen ringtragenden Asteroiden: Der 250 Kilometer große Asteroid Chariklo kreist zwischen Saturn und Uranus um die Sonne und besitzt zwei zarte Ringe, wie eine Sternbedeckung enthüllte. Woher er und einige wenige weitere zu den sogenannten Zentauren gehörenden Asteroiden im äußeren Sonnensystem ihr Ringmaterial erhalten und warum sie es trotz geringer Schwerkraft festhalten können, ist bisher nicht eindeutig geklärt.
NIRCam zeichnet Sternbedeckung auf
Deshalb hat nun das James-Webb-Teleskop den Asteroiden Chariklo erstmals ins Visier genommen. Das Team um Pablo Santos-Sanz vom Andalusischen Zentrum für Astrophysik nutzte die Near-Infrared Camera (NIRCam) des Teleskops, um den Asteroiden und seine Ringe beim Vorbeiziehen vor einem Hintergrundstern zu beobachten. „Wir hatten großes Glück, dass Chariklo im Oktober 2022 eine solche Sternbedeckung vollführte“, erklärt Santos-Sanz. „Es war die erste stellare Okkultation, die mit dem Webb-Teleskop beobachtet wurde.“
Die Lichtkurve der Sternbedeckung zeigte wie erhofft zwei Senken, die von den Asteroidenringen verursacht wurden. „Die Schatten von Chariklos Ringen wurden eindeutig detektiert“, berichtet Santos-Danz. „Das demonstriert gleichzeitig eine weitere Möglichkeit, mit dem Webb-Teleskop auch Objekte des Sonnensystems zu untersuchen.“ Die Lichtkurve bestätigte, dass Chariklos zarte Ringe rund 300 Kilometer von seiner Oberfläche entfernt sind.
Eiskristalle deuten auf ständigen Nachschub hin
Kurz nach der Sternbedeckung nahm das Webb-Teleskop den Asteroiden und seine Ringe noch einmal ins Visier, um nun auch die Reflexionsspektren seiner Ringe aufzunehmen. „Spektren von erdbasierten Teleskopen hatten schon zuvor erste Hinweise auf Wassereis geliefert“, erklärt Noemí Pinilla-Alonso, leitende Astronomin für diese Beobachtungskampagne. „Aber erst die exquisite Qualität des von Webb gelieferten Spektrums enthüllte erstmals die klare Signatur von kristallinem Wassereis.“
Das Spannende daran: In solchen Ringen werden Wassereiskristalle durch energiereiche Teilchen normalerweise relativ schnell in amorphes Eis umgewandelt. „Die Detektion von kristallinem Eis deutet daher darauf hin, dass das Chariklo-System ständig Mikrokollisionen erleben muss, die entweder frisches Eis freilegen oder aber neue Kristallisationsprozesse anstoßen“, erklärt Dean Hines vom Space Telescope Science Institute. Damit könnte diese Daten entscheidende Hinweise dafür liefern, woher der Asteroid sein Ringmaterial bekommt.
Informationen zu Dicke, Partikelgröße und mehr
Die Astronomen hoffen, dass nähere Analysen der Webb-Daten noch mehr Details über Chariklo und seine Ringe verraten. „Anhand der Form der Lichtkurven bei der Okkultation werden wir unter anderem untersuchen, welche Dicke die Ringe haben und welche Größe und Farbe die Ringpartikel haben“, erklärt Santos-Sanz. „Wir hoffen, dass uns dies einigen Aufschluss darüber gibt, warum dieser kleine Himmelskörper überhaupt Ringe hat.“
Außerdem könnte die Lichtkurven verraten, ob Chariklo außer den beiden schon bekannten Ringen möglicherweise noch weitere, zartere Ringe besitzt. Über diese konkreten Fragestellungen hinaus hoffen die Astronomen, dass das James-Webb-Teleskop in den nächsten Jahren noch weitere Informationen auch über die kleinen eisigen Brocken liefern wird, die weit von der Sonne entfernt im äußeren Sonnensystem kreisen.
Quelle: Space Telescope Science Institute