Aufatmen bei der NASA: Eine der heikelsten Phasen bei der Inbetriebnahme des neuen James-Webb-Weltraumteleskops hat funktioniert – das Auffalten des Sonnenschilds. 107 Haltebolzen mussten sich reibungslos und in der richtigen Abfolge lösen, um den tennisplatzgroßen Schutzschild zu entfalten. Anschließend wurden die fünf hauchdünnen Membranen des Sonnenschutzes langsam glattgezogen und gespannt. Inzwischen ist auch der Sekundärspiegel des Teleskops ausgeklappt, wie die NASA mitteilt.
Das James-Webb-Teleskop ist das größte, komplizierteste und teuerste Instrument, das die Menschheit jemals in den Weltraum geschickt hat. Am 25. Dezember 2021 hat eine Ariane-5-Rakete das wertvolle Teleskop auf seinen Weg zum Lagrangepunkt L2 gebracht. Doch bevor das hochauflösende Infrarot-Teleskop seine Arbeit aufnehmen kann, muss es einen komplizierten Entfaltungsprozess durchlaufen, der den NASA-Verantwortlichen 29 Tage des Bangens beschert.
107 Haltebolzen und zwei Teleskopstreben
Den ersten und wichtigsten Teil dieser Entfaltung hat das James-Webb-Teleskop jetzt erfolgreich absolviert: Nachdem das Observatorium die Triebwerke gezündet und Kurs auf sein Ziel genommen hatte, folgte das Ausklappen und Ausfahren des fünfschichtigen Sonnenschilds und seiner Haltestreben. Dafür rollte zunächst die Abdeckplane des Ensembles zurück, dann begann das Deployment-Team der NASA am Silvestertag, zunächst die beiden Mittelstreben des Schilds auszufahren.
„Diese Mittelstreben leisten die Hauptarbeit und ziehen die Membranen in ihre ikonische Rautenform“, erklärt Keith Parrish von der NASA. Damit dies jedoch geschehen konnte, mussten zunächst 107 Haltebolzen vollständig und in der richtigen Abfolge gelöst werden – klemmte nur ein Bolzen, drohte das Entfalten zu scheitern.
Doch alles ging gut: Alle 107 Bolzen und Aktuatoren funktionierten wie geplant und der Sonnenschild wurde mithilfe zweier Motoren seitlich ausgefahren. Am Neujahrstag erreichte der Schutzschild dann seine volle Breite von gut 14 Metern.
Pause für Messungen
„Bisher sind die großen Entfaltungsschritte, die wir durchgeführt haben, so reibungslos abgelaufen, wie man es sich nur wünschen kann“, sagt Mike Menzel, leitender Ingenieur des Deployment-Teams. Die Chancen stehen damit gut, dass das James-Webb-Teleskop den kühlenden Schatten bekommt, den seine sensiblen Instrumente benötigen. Denn erst wenn der Sonnenschild voll funktionsfähig ist und die optische Seite des Teleskops von der Wärmestrahlung der Sonne und Erde abschirmt, können auch die Spiegel ausgeklappt werden.
„Aber bevor wir nun weitermachen, wollen wir uns die Zeit nehmen, um alles über das Verhalten des Teleskops unter Weltraumbedingungen zu lernen“, erklärt Menzel. Denn alle Schritte des komplexen Prozesses und jedes Bauteil wurden zwar vor dem Start in Kältekammern und unter Vakuumbedingungen getestet. „Wir haben aber erst eine Woche Zeit gehabt, um festzustellen, wie sich das Teleskop im All verhält“, so der NASA-Ingenieur.
Spannen des Sonnenschilds gelungen
Als nächstes stand eine weitere heikle Phase an: die Spannung der fünf Schichten des Sonnenschilds. Über ein System von 90 Zugseilen müssen die 0,025 bis 0,05 Millimeter dünnen Membranen nacheinander langsam gespannt werden, bis sie einander nicht mehr berühren. Die dadurch entstehenden Zwischenräume sind wichtig, damit die Hitze entweichen kann. Der Spannprozess beginnt mit der äußeren und größten Membran des Sonnenschilds und wird dann sukzessive für die weiteren Schichten fortgesetzt.
Bei diesem Prozess kam es entscheidend auf das millimetergenaue Zusammenwirken der Motoren an. Das Deployment-Team musste daher sicherstellen, dass die Motoren auch die optimale Arbeitstemperatur hatten – unter den Bedingungen des Weltraums keine leichte Aufgabe. Das vollständige Aufspannen der Membranen dauerte rund zwei Tage.
Am 4. Januar hat die NASA das Spannen des Sonnenschilds erfolgreich abgeschlossen. „Den Schutzschild im All zu entfalten ist ein unglaublicher Meilenstein“, sagt Gregory Robinson, Direktor des Webb-Programms bei der NASA. „Tausende von Teilen musste mit Präzision zusammenarbeiten, um dieses Wunder der Ingenieurstechnik vollständig aufzuspannen.“
Sekundärspiegel ausgeklappt
Update: Am 6. Januar hat das James-Web-Teleskop einen weiteren wichtigen Meilenstein absolviert: Der auf drei sieben Meter langen, ausfahrbaren Stangen thronende Sekundärspiegel wurde erfolgreich ausgefahren und ausgeklappt. „Das ist fast unglaublich: Wir sind 600.000 Meilen von der Erde entfernt und das Teleskop nimmt Gestalt an“, sagt Webb-Projektmanager Bill Ochs. Die Mechanik des Spiegels funktionierte trotz der Bedingungen des Alls reibungslos.
„Der Spiegel muss sich ausfahren, einrasten und mit einer Toleranz von nur eineinhalb Millimetern in Position schwenken“, erklärt Lee Feinberg vom Goddard Space Flight Center der NASA. „Gleichzeitig muss dieser Sekundärspiegel stabil in Position bleiben, wenn das Teleskop später verschiedene Himmelregionen anvisiert – und das alles auf Stelzen von über sieben Meter Länge.“
In welchem Stadium das James-Webb-Teleskop gerade ist und welche Schritte schon vollendet wurden, können Sie am interaktiven Deployment Explorer der NASA mitverfolgen.
Quelle: NASA