Zwölf auf einen Streich: Astronomen haben gleich zwölf neue Jupitermonde entdeckt. Neun dieser kleinen Trabanten umlaufen den Jupiter entgegen seiner Rotationsrichtung. Zwei weitere kreisen vorwärts. Der zwölfte Mond jedoch ist ein echter Sonderling, wie die Forscher berichten. Denn er umläuft den Planeten als „Geisterfahrer“ – auf einer Bahn, die ihn auf direkten Kollisionskurs mit den retrograden Jupitermonden bringt.
Jupiter ist nicht nur der größte Planet des Sonnensystems, er ist auch von einem ganzen Hofstaat an Monden umgeben. Seine vier innersten Trabanten – Io, Europa, Ganymed und Kallisto – sind so groß, dass sie schon Galileo Galilei vor mehr als 400 Jahren entdeckte. Weiter außen tummeln sich Dutzende weitere, meist eher kleine Monde – bis vor kurzem zählten Astronomen insgesamt 67 Jupitertrabanten.
Der Zufall half mit
Jetzt jedoch hat Jupiters Hofstaat Zuwachs bekommen. Entdeckt wurden die neuen Monde durch einen glücklichen Zufall. Denn die Astronomen um Scott Sheppard von der Carnegie Institution fahndeten eigentlich nach Hinweisen auf den hypothetischen Planet 9 – einen Planeten, der sich jenseits des Pluto in den äußeren Gefilden des Sonnensystems verstecken soll.
„Jupiter lag zufällig in Sichtlinie mit den Himmelsregionen, in denen wir nach weit entfernten Sonnensystem-Objekten suchten“, berichtet Sheppard. „Dadurch könnten während unserer Suche nach Planeten am Außenrand des Sonnensystems gleichzeitig nach neuen Monden des Jupiter fahnden.“ Keine leichte Aufgabe, denn um sicher zu gehen, dass ein ferner Brocken tatsächlich den Gasreisen umkreist, müssen die Forscher seine Position mehrfach zu verschiedenen Zeiten bestimmen.
Gegen die Drehrichtung des Jupiter
Doch die Astronomen wurden fündig: Gleich zwölf neue Trabanten des Jupiter haben Sheppard und seine Kollegen aufgespürt. Damit besitzt der Jupiter nun insgesamt 79 Monde – mehr als jeder andere Planet im Sonnensystem. Die neuentdeckten Monde sind nur ein bis drei Kilometer groß, was erklären könnte, warum sie nicht schon früher aufgespürt worden sind.
Neun der Trabanten umkreisen den Jupiter auf retrograden Bahnen – entgegen der Rotationsrichtung des Planeten. Sie gehören damit zu einem ganzen Schwarm von retrograden Monden, die den Jupiter weit außen umrunden. Für einen Umlauf benötigen sie rund zwei Jahre. Astronomen vermuten, dass diese Brocken die Trümmer von drei größeren, einst bei Kollisionen zerstörten Jupitermonden sind.
Kleiner Sonderling
Zwei weitere neuentdeckte Jupitermonde bewegen sich in Rotationsrichtung des Planeten. Sie benötigen etwas weniger als ein Jahr für eine Umkreisung und gehören damit zu einer Gruppe weiter innen liegender Jupitertrabanten. Auch sie könnten Trümmer eines einstigen größeren Jupitermondes sein.
Besonders ungewöhnlich aber ist der zwölfte neuentdeckte Jupitermond. „Er ist ein echter Sonderling und hat einen Orbit wie sonst kein anderer bekannter Jupitermond“, berichtet Sheppard. „Gleichzeitig ist er wahrscheinlich der kleinste bekannte Mond des Jupiter: Er hat einen Durchmesser von weniger als einem Kilometer.“ Die Astronomen haben diesem winzigen prograden Mond den vorläufigen Namen Valetudo gegeben, nach der römischen Göttin der Gesundheit und Hygiene und einer Urenkelin des Göttervaters Jupiter.
„Geisterfahrer“ im Jupiterorbit
Das Besondere an Valetudo: Er benötigt rund eineinhalb Jahre für eine Jupiterumrundung. Damit liegt seine Bahn deutlich weiter außen als der der restlichen prograden Monde – und gerät in die Orbitalregion der retrograden Jupitermonde. Gleichzeitig ist er gegenüber der Bahnebene der meisten anderen Trabanten geneigt, so dass sein Orbit regelmäßig die Zone der retrograden Monde kreuzt.
„Das ist eine instabile Situation“, erklärt Sheppard. Denn dem „Geisterfahrer“ droht eine Kollision mit einem der retrograden Monde. „Bei solchen Frontalkollisionen zerbrechen die Himmelskörper schnell und werden letztlich zu Staub zermahlen“, sagt Sheppard. Wahrscheinlich ist Valetudo genau dies widerfahren: Die Forscher vermuten, dass er das letzte Relikt eines größeren prograden Jupitermondes ist, der bei solchen Frontalkollisionen mit retrograden Objekten zerschlagen wurde.
Diese Kollisionen – und auch diejenigen, die die anderen kleinen Monde schufen – müssen jedoch erst nach der Phase der Planetenbildung stattgefunden haben. Denn sonst wären die kleinen Trümmerbrocken mit größeren Trabanten verschmolzen oder in den Jupiter gestürzt, wie die Astronomen erklären. (International Astronomical Union Minor Planet Electronic Circular)
(Carnegie Institution for Science, 18.07.2018 – NPO)