Frühe Drift: Der Jupiter hat schon als unfertiger Planet seine Position im Sonnensystem verändert. Schon vor Bildung seiner Gashülle wanderte der Planetenkern vom Außenrand der Urwolke in seine heutige Bahn. Das haben Astronomen aus der Verteilung von tausenden von Trojanern in der Jupiterbahn ermittelt – Asteroiden, die den Gasriesen auf seiner Bahn begleiten. Sie stammen aus der Ursprungsregion des Gasriesen und sind damit „kleine Geschwister“ des Jupiterkerns.
Der Jupiter ist der größte und älteste Planet unseres Sonnensystems und hat dessen Entwicklung entscheidend beeinflusst. Der Kern des Gasriesen entstand wahrscheinlich schon eine Million Jahre nach der Bildung unseres Heimatsystems und riss eine Lücke in die Urwolke. Schon länger gibt es zudem Hinweise darauf, dass Jupiter weit außerhalb seiner heutigen Position entstand – und dann sogar vorübergehend bis ins innere Sonnensystem wanderte. Erst dieser Wanderung könnten Erde und Mars ihre Existenz verdanken.
Das Rätsel der Jupiter-Trojaner
Doch wie genau die Wanderung des Jupiter aussah und wann sie stattfand, ist bisher unklar. Um dies zu klären, haben nun Simona Pirani von der Universität Lund in Schweden und ihr Team einige „kosmische Helfer“ herangezogen: die Trojaner des Jupiter. Diese tausenden von dunklen Gesteinsbrocken kreisen auf der gleichen Umlaufbahn wie der Gasriese um die Sonne, bleiben dabei jedoch konstant 60 Grad vor oder hinter dem Planeten.
Das Interessante an diesen Trojanern: „Die führende Gruppe ist deutlich umfangreicher als die hintere“, berichten Pirani und ihr Team. Schätzungen zufolge gibt es rund 50 Prozent mehr Asteroiden in der vorauseilenden Trojanergruppe als in der folgenden. „Diese Asymmetrie hat uns schon immer Rätsel aufgegeben“, sagt Piranis Kollege Anders Johansen. Als eine der möglichen Ursachen galt aber die Wanderung des Jupiter.
Jupiter entstand viermal weiter außen
Um dies zu überprüfen, führten die Wissenschaftler eine Simulation mit einem Modell des frühen Sonnensystems durch – mitsamt der Jungplaneten, der Urwolke und den 44.000 umherfliegenden Gesteinsbrocken. Sie spielten damit zehn verschiedene Szenarien durch, um herauszufinden, ob und wie die Jupiterwanderung die Existenz und Verteilung der Trojaner erklären kann.
Und tatsächlich: Wie die Simulationen ergaben, ist die Asymmetrie der Jupiter-Trojaner nur durch eine Jupiterwanderung zu erklären. Demnach muss der Planet viermal weiter von der Sonne weg entstanden sein als es sein heutiger Orbit vermuten lässt. Erst danach driftete er auf einer spiraligen Bahn nach innen. „Das ist der erste klare Beweis dafür, dass der Jupiter weit weg von der Sonne gebildet wurde und dann in seine heutige Umlaufbahn wanderte“, sagt Pirani.
Uralte Planetenbausteine
Die Simulation verrät auch, wann die Wanderung des Planeten stattfand – und woher die Trojaner kommen. Demnach begann der noch weitgehend gaslose Planetenkern schon zwei bis drei Millionen Jahre nach seiner Bildung nach innen zu driften. „Jupiter erfährt diese Wanderung und wächst gleichzeitig weiter“, berichten die Forscher. Durch seine Wanderung destabilisierte der junge Jupiter die Bahnen zahlreicher kleinerer Brocken in seinem Entstehungsgebiet – und zog sie mit sich.
„Fast alle Trojaner-Asteroiden wurden in der Ursprungszone von Jupiters Planetenkern eingefangen, etwa 18 astronomische Einheiten von der Sonne entfernt“, berichten Pirani und ihr Team. „Sie enthalten daher wertvolle Informationen über die Kernbausteine unserer Gasriesen.“ Einen Teil dieser Informationen könnte die NASA-Raumsonde „Lucy“ entschlüsseln, die 2021 auf eine Reise zu den Jupiter-Trojanern starten soll.
Drift formte Trojaner-Bahnen
Wie schnell der Jupiter mitsamt seiner kleinen Begleiter nach innen driftete, ermittelten die Forscher mithilfe der Asymmetrie der Trojaner. Denn sie entstand, weil die Innenwanderung des Jupiter ihre Bahnen nicht gleichmäßig beeinflusste. Stattdessen sorgten Schwerkrafteinflüsse dafür, dass die vor dem Planeten liegenden Bahnteile der Asteroiden stabiler wurden, die dahinterliegenden Bahnabschnitte aber verkürzt.
Im Laufe der Zeit brachte dies einen größeren Teil der Trojaner in einen asymmetrischen „Kaulquappen“-Orbit um den Lagrange-Punkt L4 – die Stelle im Jupiterorbit, die dem Planeten um 60 Grad vorausläuft. Wie die Forscher ermittelten, funktioniert dies jedoch nur dann, wenn der Jupiter in seiner Wachstumsphase schnell genug wanderte. Ihren Kalkulationen nach muss der Planet nur rund 700.000 Jahre für die Einwärtsdrift benötigt haben.
„Wir können durch die Trojaner eine Menge über den Kern des Jupiter und sein Wachstum lernen“, sagt Johansen. (Astronomy & Astrophysics, 2019; doi: 10.1051/0004-6361/201833713)
Quelle: Lund University