Am 29. April startet ein besonderes Messinstrument mit dem letzten Flug der NASA-Raumfähre Endeavour zur Internationalen Raumstation ISS: das Alpha- Magnet-Spektrometer (AMS). Das sieben Tonnen schwere und 1,5 Milliarden Euro teure Instrument soll wertvolle Daten zu den letzten Rätseln des Kosmos entdecken: Dunkle Materie und Antimaterie. Nach Ansicht von Astrophysikern hat AMS hat das Potenzial, in den nächsten Jahren wichtige Ergebnisse zu liefern und unser Weltbild damit grundlegend zu verändern.
Fast sieben Tonnen schwer und vier Meter hoch ist das Spektrometer, das mit einem kräftigen Magneten die geladenen Teilchen der kosmischen Höhenstrahlung durch die Detektoren lenkt und diese Teilchen dann wie eine riesige Kamera abbildet. Damit wollen die Wissenschaftler einigen Rätseln des Universums auf die Spur kommen. Dazu gehört beispielsweise die Frage nach der Natur der Dunklen Materie, die sich bisher nur mittelbar durch ihre Anziehungskraft nachweisen lässt. Ähnlich verhält es sich mit der Antimaterie: Der Urknalltheorie folgend, hätte sie in gleichem Maße wie Materie entstehen müssen – doch bisher konnte keine kosmische Antimaterie nachgewiesen werden.
Dunkler Materie und Antimaterie auf der Spur
„Von dem, was unser Universum ausmacht, können wir derzeit gerade einmal vier Prozent mit unserer Physik erklären – den übrigen 96 Prozent haben wir Namen wie ‚Dunkle Materie‘ und ‚Dunkle Energie‘ gegeben, wissen darüber aber so gut wie nichts“, erläutert der deutsche Projektleiter Professor Stefan Schael von der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) Aachen. Hier soll AMS mit seinen Detektoren neue Erkenntnisse liefern. Herzstück des Spektrometers ist ein Spurdetektor, der von einem ringförmigen Permanentmagneten umgeben ist. Der Magnet zwingt die durchfliegenden geladenen Teilchen auf Kreis-Bahnen, aus deren Krümmung die Wissenschaftler die elektrische Ladung der Teilchen und ihre Energie bestimmen können.
„Das AMS ist ein Instrument in einer Größenordnung, wie wir es normalerweise nur auf der Erde betreiben würden“, erklärt Schael. Allerdings: Auf dem Boden würde man lediglich die Zerfallsprodukte der Weltraum-Strahlung feststellen können, denn diese treten mit der schützenden Erdatmosphäre in eine Wechselwirkung – und gelangen daher nicht mehr in ihrer ursprünglichen Form auf die Erde. AMS arbeitet mehrstufig und trägt an seiner Spitze den so genannten Übergangsstrahlungsdetektor. Aufgabe des aus über 300 Detektorkammern bestehenden Instruments ist es, zwischen leichten und schweren Teilchen zu unterscheiden.
300.000 Antennen müssen justiert werden
Bereits zwei Stunden nach dem Start wird AMS noch an Bord des Space Shuttles eingeschaltet. Zwar nehmen die Teilchendetektoren noch nicht den Betrieb auf, aber die Elektronik zur Überwachung des komplexen Messinstruments liefert erste Informationen, wie gut AMS den Shuttle-Start überstanden hat. Vier Tage später soll AMS dann auf der Raumstation montiert werden: Der Greifarm des Space-Shuttles hebt es dazu aus der Ladebucht und übergibt es an den Greifarm der ISS. Sobald es an seiner endgültigen Position auf der ISS fixiert ist, werden die elektrischen Verbindungen hergestellt. Erst dann beginnt für die beteiligten Wissenschaftler die eigentliche Arbeit.
„Früher hat man bei Fernsehern die Zimmerantenne justieren müssen, um ein scharfes Bild zu erhalten. Wir haben 300.000 Antennen, die wir jede einzeln justieren müssen, damit AMS uns optimale Bilder der kosmischen Höhenstrahlung liefert“, so Schael. AMS wird dabei in 90 Minuten mit der ISS zusammen die Erde umkreisen, so dass sich die Betriebsparameter kontinuierlich verändern. „Wir stehen mit unserer Forschung noch ganz am Anfang“, ergänzt der Aachener Wissenschaftler. „Aber bereits jetzt ist sicher: Mit AMS werden wir viel über die Zusammensetzung der kosmischen Strahlung lernen und somit auch darüber, wie unsere Galaxie aufgebaut und unser Universum entstanden ist.“
Die Frage nach der Natur der Dunklen Materie, der Ursache der Materie- Antimaterie Asymmetrie im Universum oder des Aufbaus der Materie in Neutronensternen betreffen die Grundlagen der modernen Physik. AMS hat das Potenzial, in den nächsten Jahren hierzu wichtige Beiträge zu liefern und unser Weltbild damit grundlegend zu verändern.
(DLR / Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen, 28.04.2011 – NPO)