Im April 2029 wird der 340-Meter-Asteroid Apophis haarscharf an der Erde vorbeirasen – sofern seine Flugbahn unverändert bleibt. Doch schon die Kollision mit einem kleinen Asteroiden könnte Apophis genug ablenken, um einen Einschlag 2029 oder bei einer späteren Passage herbeizuführen. Die Wahrscheinlichkeit dafür ist zwar gering, aber nicht null, wie ein Astronom ermittelt hat. Ob Gefahr besteht, werden wir jedoch erst 2027 erfahren – vorher ist der Asteroid selbst für die besten Teleskope unsichtbar.
Asteroid (99942) Apophis ist nicht umsonst nach dem ägyptischen Gott des Chaos und der Zerstörung benannt: Der 340-Meter-Brocken kommt der Erde in den nächsten Jahrzehnten gleich mehrfach gefährlich nahe. Anfangs galt sogar ein Einschlag am 13. April 2029 als möglich, inzwischen haben genauere Beobachtungen der Flugbahn dies jedoch korrigiert: Apophis wird die Erde verfehlen, wenn auch nur um rund 32.000 Kilometer. Er passiert uns 2029 noch unterhalb der geostationären Umlaufbahn.
Bei veränderter Flugbahn droht Gefahr
Allerdings: Diese Prognosen und Risikoabschätzungen gelten nur, sofern der Asteroid seine Flugbahn nicht ändert. Doch genau das passiert: Bereits 2020 stellten Astronomen fest, dass der Strahlungsdruck der Sonne die Bahn von Apophis pro Jahr um rund 170 Meter verschiebt. Dies reicht zwar nicht aus, um den Asteroiden im Jahr 2029 auf die Erde zu lenken, könnte aber bei einer späteren Passage zum Einschlag führen, wie das Team ermittelte.
Doch es gibt noch ein Risiko: „Selbst die besten aktuellen Projektionen können nicht ausschließen, dass Apophis von einem kleinen Asteroiden getroffen wird, wie sie regelmäßig auch die Erde treffen“, erklärt Paul Wiegert, Experte für Bahnberechnungen von der University of Western Ontario. Ein solcher Treffer könnte genügend Impuls übertragen, um Apophis aus seiner Bahn zu lenken – die DART-Mission der NASA im Herbst 2022 hat diesen Effekt eindrucksvoll demonstriert.
Wie viel „Schubsen“ ist nötig?
Erschwerend kommt hinzu, dass Apophis seit 2021 für uns unsichtbar ist: Er bewegt sich noch bis 2027 in Sonnennähe, wodurch selbst leistungsstarke Teleskope ihn nicht beobachten können. Was in dieser Zeit passiert und ob er seine Bahn ändert, werden wir daher erst maximal zwei Jahre vor seinem Vorbeiflug im April 2029 erfahren. Wie hoch das Risiko für eine Ablenkung von Apophis in bis zum Jahr 2029 ist, hat Wiegert nun mithilfe einer Modellsimulation genauer untersucht.
Im ersten Schritt ermittelte der Astronom, wie groß ein Asteroid sein müsste, um Apophis während der sechs unsichtbaren Jahre in gefährlichem Maße abzulenken. Frühere Studien hatten bereits ergeben, dass Apophis‘ Flugbahn um rund 200 Kilometer seitlich verschoben werden müsste, um das nächste „Schlüsselloch“ zu treffen. Dabei handelt es sich um eine kleine Zone in Erdnähe, in der die Erdanziehungskraft den Asteroiden im Jahr 2029 so weit auslenken würde, dass er bei seiner darauffolgenden Passage im Jahr 2036 mit der Erde kollidiert.
Zwischen 0,6 und 3,40 Meter droht Gefahr
Das Ergebnis: Um Apophis durch dieses Schlüsselloch zu lenken, wäre schon die Kollision mit einem 60 Zentimeter kleinen Brocken ausreichend. Dieser Impakt würde die Geschwindigkeit des großen Asteroiden um rund drei Zehntausendstel Meter pro Sekunde verändern und so bis zum Jahr 2029 die nötigen 200 Kilometer Verschiebung bewirken, wie Wiegert ermittelte.
Deutlich größer ist dagegen der nötige Impuls für einen Einschlag von Apophis schon im April 2029: Dafür müsste sich die Fluggeschwindigkeit des Asteroiden um rund fünf Hunderstel Meter pro Sekunde verändern. Dafür wäre die Kollision von Apophis mit einem rund 3,40 Meter großen Brocken nötig. „Allerdings müsste dieser Impakt zu einer sehr spezifischen Zeit und mit passender Richtung erfolgen, damit dies geschieht“, betont Wiegert.
Wahrscheinlichkeit sehr, sehr gering
Doch wie wahrscheinlich ist es, dass Apophis bis zum Jahr 2029 eine solche Kollision erlebt? „Wir sehen, dass pro Jahr rund 140 Objekte der Größe von 60 Zentimetern die Erde treffen und im Schnitt nur ein Objekt von 3,40 Meter Durchmesser“, erklärt Wiegert. Rechnet man dies nun auf den viel kleineren Querschnitt von Apophis um, verringert sich die Rate entsprechend: Die Wahrscheinlichkeit, dass Apophis durch einen Asteroidentreffer in das „Schlüsselloch“ gelenkt wird, beziffert der Astronom auf nur eins zu einer Million.
Noch geringer ist das Risiko für einen Einschlag von Apophis auf der Erde im Jahr 2029. Die Wahrscheinlichkeit, dass ihn ein 3,40 großer trifft, liegt laut Wiegert bei eins zu 100 Millionen. „Rechnet man dann ein, dass nur fünf Prozent solcher Treffer ihm einen Impuls in die richtige Richtung geben, liegt die Wahrscheinlichkeit für dieses Szenario bei weniger als eins zu zwei Milliarden“, berichtet der Astronom. „Damit ist das Risiko dafür sehr gering.“
Erst 2027 wird es sich zeigen
Allerdings ist das Risiko nicht gleich Null – ganz ausschließen lässt sich das Einschlagszenario demnach nicht. Umso wichtiger wird es sein, Apophis und seine Flugbahn ab Februar 2027 möglichst genau zu vermessen – erst dann wird er wieder beobachtbar sein. „Wenn der Asteroid bei seiner Rückkehr zur Sichtbarkeit mehr als einige Zehntel-Bogensekunden von seiner Sollposition abweicht, kann dies auf eine Störung seiner Bahn hindeuten“, erklärt Wiegert.
Das muss dann zwar noch nicht heißen, dass Apophis auf Kollisionskurs mit der Erde ist. „Aber bei einer solchen Verschiebung ist dann weitere Beobachtung und Analyse angeraten“, so der Astronom. Schon jetzt bereiten Forscher unter anderem einen Kleinsatelliten vor, der Apophis bei seiner Annäherung begleiten soll. (The Planetary Science Journal, 20924; doi: 10.3847/PSJ/ad644d)
Quelle: The Planetary Science Journal