Astronomie

Der Kohlenstoff in uns ist weitgereist

Unsichtbares "Förderband" bringt Kohlenstoffatome bis an die Grenze der Galaxie und zurück

Halo und Kohlenstoff
Kohlenstoff wird in Galaxien von der Sternenscheibe bis weit in den zirkumgalaktischen Raum transportiert und wieder zurück – ein gigantischer Kreislauf. © HG: NASA/ESA, A. Feild (STScI)

Nicht von dieser Welt: Die Kohlenstoffatome in unserem Körper sind weitgereist – einige könnten sogar aus dem intergalaktischen Raum kommen. Denn Astronomen haben einen galaktischen Kreislauf des Kohlenstoffs entdeckt, der diese Atome weit über die Sternenscheiben der Galaxien hinaus und wieder zurück befördert. Eine Schlüsselrolle für dieses gigantische, unsichtbare Kohlenstoff-„Förderband“ spielt dabei offenbar das zirkumgalaktische Medium – eine Millionen Grad heiße Gashülle um Galaxien.

Die Sternenscheibe der Milchstraße und anderer Galaxien ist von einer ausgedehnten Hülle aus heißen Gasen und Plasma umgeben – dem zirkumgalaktischen Medium (CGM). Diese galaktische „Atmosphäre“ spielt als ein Teil des galaktischen Halos eine entscheidende Rolle für die Entwicklung und das Wachstum von Galaxien, denn sie enthält einen Großteil des für die Sternbildung benötigten Rohstoffnachschubs. Viele Atome, die heute in Sternen, Planeten und unserem Körper enthalten sind, könnten daher aus dieser Zone stammen.

Spektrale Signatur
Spektrale Signaturen im Licht von Quasaren verraten, welche Atome im zirkumgalaktischen Medium einer Galaxie präsent sind. © NASA/ESA/A. Field

„Galaktischer Güterbahnhof“

„Stellen Sie sich das zirkumgalaktische Medium als einen gigantischen Güterbahnhof vor: Ständig strömt Material von dort hinaus, anderes wird hineingezogen“, erklärt Erstautorin Samantha Garza von der University of Washington. „Die schweren, in Sternen entstandenen Elemente werden durch Supernovae aus der Galaxie in das zirkumgalaktische Medium geschleudert. Von dort können sie aber wieder ins Galaxieninnere zurückgelangen und dann so den Zyklus der Stern- und Planetenbildung weiter vorantreiben.“

Doch wie der Austausch zwischen dem zirkumgalaktischen Medium und der Sternenscheibe funktioniert, ist kaum bekannt. Auch welche Atome in welcher Menge in dieser galaktischen Gashülle präsent sind und welche Rolle dafür die Rate der Sternbildung spielt, wurde bisher nur in Ansätzen geklärt. So wiesen Astronomen im Jahr 2011 erstmals nach, dass die Gashülle sternbildender Galaxien wie der Milchstraße mit ionisiertem Sauerstoff angereichert ist.

Heiße Gashülle enthält auch Kohlenstoff

Jetzt haben Garza und ihr Team eine weitere wichtige Komponente des zirkumgalaktischen Mediums nachgewiesen und erstmals quantifiziert: Kohlenstoff. Um ihn aufzuspüren, analysierten sie das Licht von Quasaren, das durch die Gashüllen von 46 Galaxien strahlt. Daten eines Spektrografen am Hubble-Weltraumteleskop verrieten dem Astronomenteam dann, welche Atome in den zirkumgalaktischen Medien dieser Galaxien präsent waren.

Kohlenstoff im CGM
Aktiv sternbildende Galaxien enthalten häufiger und mehr Kohlenstoff in ihrem zirkumgalaktischen Medium als nichtsternbildende Galaxien. © Garza et al./ The Astrophysical Journal Letters, CC-by 4.0

Es zeigte sich: Die Gashülle der Galaxien enthält neben Sauerstoff und anderen Elementen auch Kohlenstoff – und dieser ist vor allem bei aktiv sternbildenden Galaxien reichlich im zirkumgalaktischen Medium vorhanden. Bei 21 der 29 sternbildenden Galaxien – 72 Prozent – konnten Garza und ihre Kollegen die spektrale Signatur ionisierten Kohlenstoffs nachweisen. Von den 13 ruhenden, keine Sterne mehr bildenden Galaxien zeigten nur drei die Kohlenstoff-Signatur.

„Damit können wir nun bestätigen, dass das zirkumgalaktische Medium als riesiges Reservoir für Kohlenstoff und Sauerstoff fungiert“, sagt Garza. Sternbildende Galaxien weisen zudem häufiger und mehr Kohlenstoff im Halo auf als inaktive. Bei einer Galaxie wie unserer Milchstraße umfasst dieses jenseits der Sternenscheibe liegende Reservoir mindestens drei Millionen Sonnenmassen an Kohlenstoff, wie die Astronomen ermittelten.

Kohlenstoffkreislauf der galaktischen Art

Das Spannende jedoch: Der zirkumgalaktische Kohlenstoff bleibt nicht ewig dort. Stattdessen wird ein großer Teil dieser Atome im Verlauf von rund 1,9 Milliarden Jahren wieder von der Schwerkraft des Milchstraßenzentrums angezogen und fällt in die Sternenscheibe zurück. Wie auf einem gigantischen Förderband wird der Kohlenstoff demnach erst von den Sternen aus weit nach außen geschleudert, dann wieder zurückgebracht und recycelt.

Die Kohlenstoffatome gelangen dabei bis an die Grenze des intergalaktischen Raums: Die Astronomen detektierten Kohlenstoff-Signaturen noch 400.000 Lichtjahre vom galaktischen Kern entfernt – das entspricht dem rund Vierfachen des Milchstraßen-Durchmessers. „Dies hat große Bedeutung für die Galaxienentwicklung und den Kohlenstoffnachschub der Sternbildung“, sagt Koautorin Jessica Werk von der University of Washington. Denn nur wenn dieses „Förderband“ funktioniert, kann eine Galaxie genügend Rohstoff für neue Sterne akquirieren.

Weitgereiste Atome auch in uns

Aber nicht nur das: Die galaktische Rundreise des Kohlenstoffs bedeutet auch, dass viele Kohlenstoffatome in unserem Körper und allen anderen Organismen wahrscheinlich schon einmal weit jenseits der Sternenscheibe unserer Milchstraße unterwegs waren. „Der Kohlenstoff in uns hat wahrscheinlich einen signifikanten Teil seiner Zeit außerhalb unserer Galaxie verbracht“, sagt Werk.

Einige dieser Kohlenstoffatome könnten sogar extragalaktischer Herkunft sein und aus anderen Galaxien und dem intergalaktischen Medium in die Gashülle der Milchstraße gelangt sein. „Das Gas des zirkumgalaktischen Mediums ist nur ein Teil des großen Reservoirs, das Galaxien als Nachschub für ihre künftige Sternbildung nutzen“, erklärt das Astronomenteam. Wie diese Reservoire zusammenhängen, wie viel Material ausgetauscht und transportiert wird, muss jedoch erst in weiteren Studien erforscht werden. (The Astrophysical Journal Letters, 2025; doi: 10.3847/2041-8213/ad9c69)

Quelle: University of Washington, The Astrophysical Journal Letters

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