Vielsagender Lichtpunkt: Astronomische Beobachtungen belegen erstmals, dass massereiche Gasplaneten auch in großer Entfernung von ihrem Stern entstehen können – durch den direkten Kollaps von Gas. Den Beleg dafür liefert ein junger Gasplanet um den 520 Lichtjahre entfernten Stern AB Aurigae, der seinen Stern in gut 90 astronomischen Einheiten Abstand umkreist. Er liegt damit zu weit außen, um durch eine klassische Akkretion von Staub und Brocken entstanden zu sein, wie die Forschenden im Fachmagazin „Nature Astronomy“ berichten.
Die Erde und die meisten anderen Planeten im Sonnensystem sind durch Akkretion entstanden – durch langsame Anreicherung von Staub und größeren Brocken. Bisher ist jedoch strittig, ob dieser Mechanismus der Planetenbildung auch bei weiter außen kreisenden Gasplaneten wie dem Jupiter oder Saturn zutrifft. Weil in dieser Entfernung von der Sonne eigentlich zu wenig Staub als Baumaterial zur Verfügung stand, könnten sie auch durch einen lokalen Kollaps von Gasen entstanden sein – ähnlich wie bei der Bildung von Sternen. Bisher fehlen jedoch Belege dafür.
Auch bei einigen Exoplaneten rätseln Astronomen, wie sie entstanden sein könnten. Denn diese jungen Gasriesen kreisen teilweise 50 bis 200 astronomische Einheiten von ihrem Stern entfernt und damit in einem eher dünnen, materialarmen Bereich ihrer protoplanetaren Scheibe. Weil bisher abgebildete Protoplaneten wie PDS 70 b aber schon mehrere Millionen Jahre alt waren, können Astronomen nicht ausschließen, dass sie einst weiter innen entstanden und erst dann nach außen gewandert sind.
Jung, schwer und weit vom Stern entfernt
Einen klareren Beleg für eine Vor-Ort-Entstehung eines weit außen kreisenden Gasriesen könnten nun Astronomen um Thayne Currie vom Nationalen Astronomischen Observatorium Japans entdeckt haben. Mithilfe des Subaru-Teleskops auf Hawaii und des Hubble-Weltraumteleskops haben sie den 520 Lichtjahre entfernten Jungstern AB Aurigae nähere ins Visier genommen. Bei diesem hatten Teleskope schon früher Hinweise auf mindestens einen Planetenembryo gefunden.
Die neuen Aufnahmen bestätigen dies. Sie zeigen einen deutlichen hellen Lichtpunkt, der rund 93 astronomische Einheiten von seinem Stern entfernt liegt – er kreist damit rund dreimal so weit außen wie der Neptun in unserem Sonnensystem. Der AB Aurigae b getaufte Protoplanet ist rund neun Jupitermassen schwer und knapp dreimal so groß wie der Jupiter. Aus den spektralen Merkmalen des Lichtpunkts schließt das Team zudem, dass es sich um einen erst rund eine Million Jahre alten Protoplaneten handeln muss. „Er stellt damit ein früheres Stadium der Planetenbildung dar als das PDS-70-System“, so die Astronomen.
Merkmale sprechen für Entstehung durch Gaskollaps
Interessant auch: Der Protoplanet liegt nahe an einem der Spiralarme, die die Gas- und Staubscheibe um den jungen Stern durchziehen. „AB Aurigae b erscheint als klar erkennbarer Klumpen im Umfeld dieser Arme“, so das Team. „Damit ähneln die Merkmale dieses Protoplaneten frappierend den Modellen für eine Planetenbildung durch Gasinstabilitäten.“ Diesen Modellen zufolge kann der lokale Kollaps von Gas in protoplanetaren Scheiben solche spiraligen Turbulenzen nach sich ziehen.
Gestützt wird dies durch eine weitere Beobachtung der Astronomen: Die Teleskopaufnahmen zeigen weiter außen noch zwei Lichtpunkte, die von weiteren Planetenembryos stammen könnten. Mit einer Entfernung von 430 und 580 astronomischen Einheiten liegen diese Jungplaneten sogar noch weiter von ihrem Stern entfernt. Auch sie wurden daher wahrscheinlich nicht durch die klassische Akkretion gebildet.
Neue Sicht auch auf „unsere“ Gasriesen?
„Diese Belege für mindestens einen Protoplaneten in weitem Abstand um AB Aurigae haben erhebliche Bedeutung für unsere Verständnis dafür, wo sich Planeten bilden“, konstatieren Currie und seine Kollegen. „AB Aurigae b könnte uns den ersten direkten Beleg dafür liefern, dass Jupiter-ähnliche Planeten durch Gasinstabilitäten entstehen können.“
Sollte sich dies bestätigen, würde dies auch ein neues Licht auf die Bildung der Gasriesen in unserem eigenen Sonnensystem werfen. Denn auch für Jupiter und Saturn ist strittig, ob sie nicht doch statt durch Akkretion durch einen lokalen Gaskollaps entstanden sind. (Nature Astronomy, 2022; doi: 10.1038/s41550-022-01634-x)
Quelle: Nature Astronomy