Astronomie

Kosmische Anomalie gibt Rätsel auf

Astronomen finden nicht erklärbare Asymmetrie in der kosmischen Gammastrahlung

Gammastrahlen-Anomalie
Ein Teil des Südhimmels, hier violett umrandet, produziert mehr diffuse Gammastrahlung als er dürfte. Aber warum? © NASA/ Goddard Space Flight Center

Mysteriöses Phänomen: Astronomen haben den diffusen Gammastrahlen-Hintergrund des Kosmos vermessen – und Überraschendes entdeckt. Denn die Strahlung zeigt eine bisher nicht erklärbare Asymmetrie. Dieser sogenannte Dipol ist zehnmal stärker als er sein dürfte und seine Ursache ist unbekannt. Allerdings ähnelt die Asymmetrie einer Ungleichverteilung, die auch bei den energiereichsten geladenen Teilchen der kosmischen Strahlung gemessen wurde. Was dahintersteckt, ist jedoch in beiden Fällen unbekannt.

Der gesamte Kosmos ist von einem schwachen, diffusen Hintergrund aus Strahlung und Teilchen erfüllt. Ein Teil davon besteht aus Gammastrahlung – energiereicher Streustrahlung, die unter anderem von fernen Quasaren, Supernovae oder auch Galaxien mit starker Sternbildung ausgeht. Allerdings: Wie der diffuse Gammastrahlen-Hintergrund genau entsteht und welchen Anteil die verschiedenen Quellen daran haben, ist bisher erst in Teilen geklärt. Dies liegt auch daran, dass noch nicht alle Merkmale dieses kosmischen Gammastrahlen-Teppichs kartiert sind.

Asymmetrisch statt gleichmäßig verteilt

Jetzt haben Astronomen eines dieser fehlenden Merkmale des Gammastrahlungs-Hintergrunds kartiert – seine räumliche Symmetrie. Dafür wertete ein Team um Alexander Kashlinsky vom Goddard Space Flight Center der NASA die Daten des Fermi-Gammastrahlen-Teleskops aus 13 Jahren aus. Kartiert wurde dabei Strahlung im Energiebereich zwischen drei und 100 Gigaelektronenvolt. Punktquellen und Störeffekte durch unsere eigene Galaxie entfernten die Astronomen, damit nur der diffuse Anteil des Gammastrahlen-Hintergrunds übrigblieb.

Gammastrahlungs-Dipol
Die im Gammastrahlen-Hintergrund ermittelte Asymmetrie (Dipol) ist zehnfach stärker als sie sein dürfte. © NASA/ Goddard Space Flight Center

Das überraschende Ergebnis: Statt der erwarteten relativ gleichmäßigen Verteilung zeigte sich eine deutliche Asymmetrie – in der Fachsprache Dipol genannt. „Wir finden nach Abzug aller bekannten Quellen einen Dipol, der hochgradig statistisch signifikant und extragalaktischen Ursprungs ist“, berichten Kashlinsky und seine Kollegen. Konkret ermittelten sie, dass die Hintergrund-Gammastrahlung in einem Teil des Südhimmels sechs bis sieben Prozent stärker ist als anderswo.

Dipol passt weder zu Modellen noch zum CMB

„Das ist eine unerwartete und zufällige Entdeckung“, sagt Kashlinsky. „Das von uns gefundene Signal ist viel stärker und in einem anderen Teil des Himmels als wir vermutet haben.“ Denn im weit langwelligeren Mikrowellen-Hintergrund (CMB) haben Astronomen schon vor Jahrzehnten eine Dipol-Struktur entdeckt. Die Mikrowellen-Strahlung ist dabei im Nordwestteil des Himmels ein wenig heißer als im Gesamtdurchschnitt. In einer Region am Südost-Himmel ist sie dagegen ein wenig kälter.

Das Problem jedoch: Die jetzt detektierte Gammastrahlen-Asymmetrie passt weder in ihrer Verteilung noch in ihrem Ausmaß zu diesem Mikrowellen-Dipol. „Der Peak unseres Gamma-Dipols liegt weit entfernt von dem des Mikrowellen-Hintergrunds und er ist zehnmal stärker als wir erwarten würden“, sagt Koautor Chris Shrader von der NASA. Auch ein Verzerrungseffekt durch unsere Eigenbewegung könne nur einen geringen Teil der Gammastrahlen-Asymmetrie erklären.

Gammastrahlung und UHECR
Der neu detektierte Dipol im Gammastrahlen-Hintergrund (oben) und die Asymmetrie bei den energiereichen geladenen Teilchen (UHECR). © Kashlinsky et al. 2024; Pierre Auger Collaboration

Verblüffende Übereinstimmung mit kosmischen Extrem-Teilchen

Doch woher kommt dieser rätselhafte Dipol dann? Bisher haben die Forscher darauf keine Antwort. Spannend ist jedoch, dass Astronomen am Pierre Auger Observatorium in Argentinien schon im Jahr 2017 einen ganz ähnlichen, bisher ebenso unerklärbaren Dipol bei den energiereichsten Teilchen der kosmischen Strahlung entdeckt haben. Dabei handelt es sich um seltene, aber mit mehr als einem Exa-Elektronenvolt extrem energiereiche geladene Partikel, die auch als UHECR (Ultrahigh-Energy Cosmic Rays) bezeichnet werden.

Obwohl die kosmischen UHECR-Teilchen milliardenmal energiereicher sind als die diffuse Gammastrahlung, ist ihre Asymmetrie ähnlich: Der Dipol betrifft die gleiche Himmelsregion und ist auch in seiner Amplitude fast gleich, wie die Astronomen berichten. „Das könnte auf einen gemeinsamen Ursprung der UHECR und der Gammastrahlen-Photonen hindeuten“, erklären sie. Das Problem nur: Auch die Quelle des energiereichsten Anteils der kosmischen Teilchen ist bislang unbekannt.

Zwei Phänomene, zwei Asymmetrien – und viele offene Fragen

Damit haben die Astronomen nun gleich zwei kosmische Phänomene, die eine bislang unerklärliche Asymmetrie aufweisen. Doch in beiden Fällen fehlen entscheidende Erkenntnisse dazu, wie und wo ihr Ursprung liegt. Um dieses Rätsel zu lösen, müssen die Forscher nun entweder die Quellen von UHECR und diffuser Gammastrahlung klären oder aber theoretische Modelle entwickeln, die mögliche physikalische Mechanismen erhellen. Dies könnte dann bei der Suche nach dem Ursprung des Dipols helfen. (The Astrophysical Journal Letters, 2024; doi: 10.3847/2041-8213/acfedd)

Quelle: NASA/Goddard Space Flight Center

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