Wie weit die Große Magellansche Wolke – unsere Nachbargalaxie – vom uns entfernt ist, haben Astronomen nun so genau bestimmt wie noch nie zuvor. Als Entfernungsmesser nutzten sie dafür erstmals Doppelsterne aus Roten Riesen. Da der Abstand zur Großen Magellansche Wolke eine Art kosmisches Lineal für die Vermessung des Universums bildet, helfen die neuen, nun bis auf rund zwei Prozent genauen Werte auch dabei, weiter entfernte Objekte auszumessen. Das erleichtere es unter anderem, die derzeitige Expansionsrate des Universums, die sogenannte Hubble-Konstante, zu ermitteln, berichten die Astronomen im Fachmagazin „Nature“.
Astronomen bestimmen die Größenskalen des Universums, indem sie zunächst die Entfernungen zu nahegelegenen Objekten vermessen und dann diese als Messlatte verwenden, um die Abstände zu noch weiter entfernten Objekten zu ermitteln. Die gesamte Kette der kosmischen Entfernungsleiter ist allerdings nur so präzise wie ihr erstes Glied – und das ist die Entfernung der Großen Magellanschen Wolke, einer der nächsten Nachbargalaxien unserer Milchstraße. Bisher konnten Astronomen deren Abstand nur bis auf fünf bis zehn Prozent genau bestimmen. Für solche Messungen nutzten sie meist Sterne und andere Objekte wie beispielsweise Typ-1-Supernovae, deren Helligkeit man gut kennt. Da diese mit der Entfernung abnimmt, lässt sich aus dem Vergleich der Soll- mit der Ist-Helligkeit ermitteln, wie weit weg das Objekt ist.
Jetzt haben die Astronomen das Verfahren weiter verfeinert, indem sie eine seltene Sorte von Doppelsternen, bestehend aus zwei eng beieinander stehenden Roten Riesen, als Messwerkzeug nutzen. Acht solcher Sternpaare in der Großen Magellanschen Wolke visierten sie mit Hilfe des La Silla Observatoriums der Europäischen Südsternwarte in Chile und weiterer Teleskope weltweit an. Die Besonderheit dieser zu den sogenannten Bedeckungsveränderlichen gehörenden Doppelsternen: Wenn sich diese Partner umkreisen und dabei abwechselnd gegenseitig verdecken, macht sich dies im Licht des Sternpaares bemerkbar.
Von der Erde aus gesehen sinkt dabei die Gesamthelligkeit des Systems ab, und zwar sowohl während der erste Stern vor dem zweiten vorbeizieht als auch andersherum, wenn auch um einen anderen Anteil. Der exakte Verlauf der Helligkeitsänderungen hängt dabei von der relativen Größe der Sterne, ihrer Temperaturen und Farben und der Form der Umlaufbahn ab. Über sorgfältige Messungen dieser Helligkeitsänderungen und der Umlaufgeschwindigkeit der beiden Sterne können die Astronomen auf die Größe der Sterne, ihre Masse und ihren genauen Strahlungstyp schließen. Aus diesen Daten wiederum lässt sich die Entfernung schließen.
Mittels dieser Methode hat es das Astronomenteam nun geschafft, einen bis auf zwei Prozent präzisen Wert für die Entfernung der Großen Magellanschen Wolke zu ermitteln: 163.000 Lichtjahre. „Ich freue mich sehr, dass uns das gelungen ist“, sagt Wolfgang Gieren von der Universidad de Concepción in Chile, einer der Leiter des Teams. „Einhundert Jahre lang haben Astronomen versucht die Entfernung zur großen Magellanschen Wolke exakt messen. Es hat sich als unglaublich schwer herausgestellt. Jetzt haben wir dieses Problem endlich lösen können.“ Die Forscher arbeiten bereits daran, ihre Methode weiter zu verbessern und hoffen, innerhalb weniger Jahre auf eine Unsicherheit von nur noch einem Prozent für die Entfernung der Großen Magellanschen Wolke zu kommen.
„Das hätte nicht nur weitreichende Auswirkungen für die Kosmologie, sondern für viele Bereiche der Astronomie”, schließt Dariusz Graczyk von der chilenischen Universidad de Concepcion. Denn ist diese erste wichtige kosmische Messlatte genauer, kann man auch eine weitere, vor allem für große Entfernungen wichtige Messlatte genauer bestimmen, die Cepheidensterne. Cepheiden sind helle, instabile Sterne, die pulsieren und daher periodisch ihre Helligkeit ändern. Weil genau bekannt ist, wie hell Cepheiden mit einem bestimmten Puls scheinen, dienen sie dazu, die Entfernungen entfernter Galaxien zu bestimmen und die derzeitige Expansionrate des Universums zu ermitteln, die auch als Hubble- Konstante bezeichnet wird. Die Hubble-Konstante wiederum ist die Grundlage der Durchmusterung des Universums bis hin zu den fernsten Galaxien, die man mit den heutigen Teleskopen beobachten kann. (Nature, 2013; doi: 10.1038/nature11878)
(ESO, 07.03.2013 – NPO)