Extrem magnetisch: Astronomen haben bei einem Neutronenstern in der Milchstraße das stärkste Magnetfeld des Kosmos gemessen. Der ultraleuchtstarke Pulsar hat demnach eine magnetische Feldstärke von 1,6 Milliarden Tesla – das ist ein neuer Rekord. Gemessen wurde diese Magnetintensität über subtile Modulationen der starken Röntgenstrahlung, die dieser Pulsar emittiert. Die Messungen deuten zudem darauf hin, dass dieser Sternenrest ein multipolares Magnetfeld besitzt.
Magnetfelder entstehen häufig dadurch, dass elektrische Ladungen bewegt werden. Im Erdkern treibt dies den Geodynamo unseres Planeten an, in technischen Geräten oder Laboren verleiht dies Elektromagneten ihre Anziehung. Doch deren Feldstärken verblassen gegenüber dem, was von kosmischen Magnetfeld-Generatoren erreicht wird: Stark beschleunigte Teilchenströme um Schwarze Löcher oder bestimmte Neutronensterne – sogenannte Magnetare – können Magnetfelder mit Millionen Tesla erzeugen.
Pulsar mit enormer Strahlkraft
Jetzt haben Astronomen einen neuen Rekordhalter unter den kosmischen Magnetfeld-Generatoren entdeckt. Es handelt sich um einen Neutronenstern, der einem Partnerstern große Mengen an Material abzieht. Dieser Prozess setzt starke Röntgenstrahlung frei. Das Swift J0243.6+6124 getaufte Doppelsternsystem wurde entdeckt, als es im Jahr 2017 einen Strahlenausbruch mit extremer Helligkeit und Energie durchlebte. Astronomen schließen daraus, dass es sich bei dem Neutronenstern um einen ultraleuchtstarken Pulsar handelt.
Schon länger wird vermutet, dass solche ultraleuchtstarken Neutronensterne auch ein besonders starkes Magnetfeld besitzen müssen. „Man hat bereits versucht, das Magnetfeld von Swift J0243.6+6124 mit verschiedenen Methoden zu vermessen. Dies ergab jedoch widersprüchliche Ergebnisse“, erklären Ling-Da Kong von der Chinesischen Akademie der Wissenschaften in Peking und sein Team. Deshalb haben sie den Pulsar 2020 noch einmal mit dem neuen chinesischen Röntgenteleskop Insight-HXMT ins Visier genommen.
Verräterische Linie im Röntgenspektrum
Die Analysen enthüllten eine auffallende Absorptionslinie im Röntgenspektrum der Pulsarstrahlung. Diese lag im Energiebereich von 146 Kiloelektronenvolt und wies die typischen Anzeichen einer sogenannten Cyclotron-Resonanzstreuung auf, wie die Astronomen berichten. Diese Linien entstehen, wenn Elektronen im Magnetfeld eines Himmelskörpers extrem gestreut und beschleunigt werden. Treffen sie dann auf Röntgenstrahlen, schlucken sie bestimmte Anteile dieser Strahlung.
Entscheidend daran: Die Energie, bei der diese Absorptionslinie auftritt, erlaubt Rückschlüsse auf die Magnetfeldstärke am Ort des Geschehens – und die ist im Fall von Swift J0243.6+6124 enorm. „Die Energie seiner Cyclotron-Resonanzstreuung ist die höchste jemals bei einem Neutronenstern gemessene“, schreiben Kong und seine Kollegen. Sie übertreffe auch die bisherigen Rekordhalter bei weitem.
Stärkstes je gemessenes Magnetfeld
Das aber bedeutet: Auch das Magnetfeld um diesen Neutronenstern muss extrem stark sein. Die Astronomen kommen auf Basis ihrer Messungen auf eine Feldstärke von 1,6 Milliarden Tesla. „Das ist das stärkste Oberflächen-Magnetfeld, das je über Cyclotron-Resonanzstreuung direkt gemessen wurde“, erklärt das Team. Dieser ultraleuchtstarke Pulsar könnte damit das stärkste bisher bekannte Magnetfeld im Kosmos besitzen.
Nähere Analysen der von Swift J0243.6+6124 freigesetzten Röntgenstrahlung legen zudem nahe, dass dieser Pulsar kein einfaches Dipol-Magnetfeld besitzt wie beispielsweise die Erde. Stattdessen scheint sein Magnetfeld eine komplexe Struktur aus mehreren Polen zu besitzen, wie Kong und seine Kollegen berichten. Auch andere Neutronensterne in solchen Röntgendoppelsternen könnten demnach multipolige Magnetfelder besitzen.
Sollte sich dies bestätigen, könnte dies auch die widersprüchlichen Messdaten zum Magnetfeld vieler solcher Neutronensterne erklären: Weil andere zuvor eingesetzte Messmethoden nur die Dipolkomponente des Magnetfelds erfassten, entging ihnen die volle Stärke des Magnetfelds. (Astrophysical Journal Letters, 2022; doi: 10.3847/2041-8213/ac7711)
Quelle: Chinese Academy of Sciences Headquarters