Überraschend anders: Astronomen haben einen kosmischen Radioblitz eingefangen, der aus einer unerwarteten Quelle stammt. Denn der Ursprung dieses Fast Radiobursts liegt in einem Kugelsternhaufen voller alter Sterne. Das jedoch widerspricht gängiger Theorie, nach der die Explosion kurzlebiger, massereicher Sterne und ihre Umwandlung zu Magnetaren diese Radio-Ausbrüche auslöst. Das deute auf einen anderen, bisher nicht vorhergesagten Ursprung dieses Radioblitzes hin, berichtet das Team in „Nature“.
Fast Radiobursts (FRB) dauern nur wenige Millisekunden, setzen in dieser Zeit aber so viel Energie frei wie unsere Sonne an einem ganzen Tag. Deshalb erreichen uns diese teils einzelnen, teils wiederkehrenden Pulse selbst aus weit entfernten Galaxien. Was aber löst sie aus? Die erste Beobachtung eines Radiobursts aus der Milchstraße legte kürzlich nahe, dass sie ihren Ursprung in Magnetaren haben – schnell rotierenden Neutronensternen mit einem starken Magnetfeld.
Gängiger Theorie nach entstehen solche Magnetare, wenn kurzlebige, masereiche Sternen in einer Supernova explodieren. Ihr Kern kollabiert dann zu einem dichten Neutronenstern, der in manchen Fällen stark magnetisiert ist und dadurch starke Strahlenpulse abgeben kann. Doch es gibt einige Radioblitze, die nicht zu diesem Entstehungs-Szenario passen. Einige von ihnen sind zu stark für einen solchen Urheber, bei anderen passt die Frequenz der Radiowellen nicht dazu.
„Wiederholungstäter“ im Visier
Einen weiteren Vertreter dieser „Abweichler“ haben nun Franz Kirsten von der Chalmers-Universität in Schweden und seine Kollegen identifiziert. Für ihre Studie hatten sie die Quelle des im Januar 2020 entdeckten Fast Radiobursts FRB 20200120E näher untersucht. Diese sich wiederholenden Radioblitze schienen aus dem Sternbild Großer Bär und einer dort liegende Spiralgalaxie zu kommen.
Um den Ursprungsort dieses Radioburst-Repeaters einzuengen, nutzten die Astronomen die verkoppelten Radioteleskope des Europäischen VLBI-Netzwerks. Dafür nahmen zwölf Teleskope, die über Europa, Russland und China verteilt sind, die Radiostrahlenquelle näher ins Visier. Auch das 100-Meter-Radioteleskop Effelsberg in der Eifel, das empfindlichste Einzelteleskop in Europa, trug entscheidend zu den Daten bei.
Überraschender Ursprung in altem Kugelsternhaufen
Das Ergebnis: Die Quelle von FRB 20200120E liegt in der rund zwölf Millionen Lichtjahre entfernten Spiralgalaxie M81. Sie ist damit die bisher nächstgelegene Quelle eines sich wiederholenden extragalaktischen Radioblitzes, wie das Team erklärt. Das Überraschende jedoch: Die genaue Position der Radiostrahlenquelle befindet sich in einem alten Kugelsternhaufen im Außenbereich dieser Galaxie.
„Es ist erstaunlich, schnelle Radiostrahlungsausbrüche in einem Kugelsternhaufen zu finden“, sagt Koautor Kenzie Nimmo vom niederländischen Institut für Radioastronomie (ASTRON). „Dies ist ein Ort im Weltraum, an dem man nur alte Sterne findet.“ Solche langlebigen, alten Sternen sind jedoch meist zu massearm, um in einer Supernova zu explodieren. Das in einer solchen Umgebung ein Radioburst-Urheber in Form eines jungen, aktiven Magnetar entsteht, ist daher eher unwahrscheinlich.
Rätsel um Urheber
„Wir erwarten, dass Magnetare strahlende und junge Objekte sind und definitiv nicht aus einer Umgebung von alten Sternen kommen“, sagt Nimmos Kollege Jason Hessels. „Wenn das, was wir hier sehen, also wirklich ein Magnetar ist, dann kann er nicht durch die Explosion eines jungen Sterns entstanden sein.“ Die gängige Theorie zur Ursache dieser kosmischen Radioblitze kann demnach hier nicht zutreffen.
Aber was ist dann die Ursache für diese intensiven Radio-Ausbrüche? Die Kürze der Radioblitze und ihr Frequenzverlauf sprechen dafür, dass der Aussender ein kleines, kompaktes Objekt sein muss – wie es beispielsweise Neutronensterne sind. Nach Ansicht der Astronomen, könnte der Fast Radioburst FRB 20200120E daher auf einen Magnetar zurückgehen, der auf ungewöhnliche, bisher nur theoretisch postulierte Weise entstand.
Weißer Zwerg oder Sternkollision als Ursache?
Konkret vermuten die Forschenden, dass sich dieser Magnetar aus einem kollabierten Weißen Zwerg entwickelt haben könnte. Wenn diese ausgebrannten Sternenreste Teil eines Doppelsternsystems sind, saugen sie ihrem Begleitstern häufig Material in Form von Gas ab. „Das kann zu einem Szenario führen, das mit dem Fachbegriff ‚akkretionsinduzierter Kollaps‘ bezeichnet wird“, erklärt Kirsten. Dabei nimmt der Weiße Zwerg so stark an Masse zu, dass er unter seinem eigenen Gewicht kollabiert und zu einem noch dichteren, kleineren Neutronenstern wird.
„Das ist ein seltenes Ereignis, aber in einem Haufen alter Sterne wäre es der einfachste Weg, um schnelle Radiostrahlungsausbrüche zu erzeugen“, sagt Koautor Mohit Bhardwaj von der McGill University in Kanada. Denkbar wäre aber auch, dass ein sich extrem eng umkreisendes Paar aus Weißem Zwerg und Neutronenstern oder eine Sternenverschmelzung die starken Radiopulse abstrahlt. „Im Laufe des mehrere Milliarden Jahre dauernden Lebens eines engen Sternhaufens geschehen seltsame Dinge. Wir glauben, dass wir hier einen Stern mit einer ungewöhnlichen Geschichte sehen“, sagt Kirsten.
Mehr Vielfalt als gedacht
Welches dieser Szenarien zutrifft, ist noch ungeklärt. Dennoch legt der Fall von FRB 20200120 nahe, dass es verschiedene Bildungswege für die Urheber dieser kosmischen Radioblitze gibt. Das könnte auch die schon zuvor beobachteten Unterschiede zwischen den Fast Radiobursts erklären. „Diese schnellen Radiostrahlungsausbrüche scheinen uns neue und unerwartete Einblicke in das Leben und Sterben von Sternen zu geben“, sagt Kirsten. (Nature, 2022; doi: 10.1038/s41586-021-04354-w)
Quelle: Max-Planck-Institut für Radioastronomie, Chalmers University of Technology