Astronomie

Kugelsternhaufen sind Gasdiebe

Astronomen lösen Rätsel um vermeintlich fehlenden Rohstoff für die Sternenbildung

Der Kugelsternhaufen NGC 1783 in der Großen Magellanschen Wolke: In ihm gibt es mehrere Generationen von Sternen. © ESA/NASA, Hubble

Geklautes Baumaterial: Astronomen haben herausgefunden, warum einige Kugelsternhaufen mehrfach neue Sterne bilden können – obwohl ihnen der Rohstoff dafür fehlt. Des Rätsels Lösung: Die Sternhaufen „klauen“ das Gas aus ihrer galaktischen Nachbarschaft, wie Beobachtungen mit dem Hubble-Weltraumteleskop enthüllten. Nach 50 Jahren könnte damit die Theorie der „geklauten“ Gase endlich bewiesen sein, so die Forscher im Fachmagazin „Nature“.

In den Außenbezirken unserer Milchstraße gibt es an die 200 Kugelsternhaufen – rundliche Ansammlungen von rund 100.000 dichtgedrängten, meist sehr alten Sternen. Typischerweise sind die Sterne in diesen Haufen alle etwa gleich alt, sie entstanden alle gemeinsam in einem wahren Ausbruch der Sternengeburten aus einer verdichteten Gaswolke – so jedenfalls dachte man bisher.

Rätselhafte Ausnahmen

Doch es gibt Ausnahmen: Gerade in sehr massereiche Kugelsternhaufen haben Astronomen inzwischen noch zweite und sogar dritte Generationen von Sternen entdeckt. Woher diese jedoch ihren Rohstoff erhielten, ist rätselhaft. Denn theoretisch dürfte es in den Kugelsternhaufen nicht mehr genug Gas und Staub als Rohstoffe für die neuerliche Sternenbildung geben.

„Die massereichsten Sterne in diesen Kugelsternhaufen leben nur rund zehn Millionen Jahre, bevor sie als Supernova explodieren“, erklärt Koautor Licai Deng von den Nationalen Astronomischen Observatorien in Peking. „Dies aber fegt die verbleibende Gase und Staub weg, die als Rohstoff für neue Sterne benötigt würden.“ Woher also bekommen die neuen Sternengenerationen ihr „Baumaterial“?

Drei verschiedenn Sternenalter im Kugelsternhaufen NGC 1783 © Chengyuan Li und Richard de Grijs/ KIAA

Verräterischer Gas-Einstrom

Um das zu klären, haben Deng, Chengyuan Li von der Universität Peking und ihre Kollegen drei Kugelsternhaufen in unseren Nachbargalaxien, der Großen und Kleinen Magellanschen Wolke mit dem Hubble-Weltraumteleskop untersucht. Diese Sternhaufen sind nur rund ein bis zwei Milliarden Jahre alt und damit jünger als die typischerweise in der Milchstraße gefundenen. Sie boten daher eine bessere Chance, an ihnen die Prozesse bei der Neubildung von Sternen zu beobachten.

Und tatsächlich: Die Astronomen entdeckten Hinweise darauf, dass der Rohstoff für die jüngsten Sterne in den Kugelsternhaufen nicht aus deren Inneren kam, sondern von außen: Die Sternansammlungen „fangen“ Gas aus den umliegenden Gebieten ihrer Galaxie ein. Kugelsternhaufen sind demnach imstande, Rohstoff für ihre neuen Sternengenerationen quasi zu „adoptieren“, wie die Forscher erklären.

Erster Beleg für 50 Jahre alte Theorie

Die Idee für einen solchen Materialeinstrom von außen als Futter für die jüngeren Sterne in Kugelsternhaufen hatten Astronomen schon in den 1950er Jahren – jetzt haben Li und seine Kollegen die ersten Belege dafür geliefert. „Wir haben jetzt gezeigt, dass diese Idee einer Sternbildung mit eingefangenem Gas tatsächlich funktionieren kann“, sagt Koautor Richard de Grijs vom Kavli Institut in Peking.

Nach Ansicht der Forscher könnten solche „adoptierten“ Gase die bisher überzeugendste Erklärung dafür sein, wie in vermeintlich rohstoffarmen Sternhaufe neue Sterne entstehen. „Dies könnte sogar der wichtigste Weg sein, um sekundäre Sternenpopulationen in jungen, massereichen Clustern zu bilden“, erklären Li und seine Kollegen. (Nature, 2016; doi: 10.1038/nature16493)

(Kavli Foundatrion/ Nature, 28.01.2016 – NPO)

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