Ein gewaltiger Lichtbogen im Radiowellenbereich hat Astronomen bei der Entdeckung einer Kollision zwischen zwei Galaxienhaufen geholfen. Die durch den Zusammenstoß erzeugte Stoßwelle ist rund hundertmal so lang wie unsere Milchstraße. In dieser Stoßwelle werden Teilchen auf eine Energie beschleunigt, die millionenfach höher ist als im stärksten Teilchenbeschleuniger der Erde. Wie die Forscher in „Science“ berichten, beweist die Messung der in der Stoßwelle erzeugten Radiostrahlung erstmals eine 30 Jahre alte theoretische Vorhersage derartiger Prozesse.
Galaxienhaufen sind die größten Strukturen im Universum. Neben Galaxien beinhalten sie eine enorme Menge dünnen Gases, das heißer ist als der Kern der Sonne. Diese großen Haufen entstehen durch Kollisionen kleinerer Strukturen. Eine mehr als 30 Jahre alte Theorie besagt, dass Stoßwellen, die während dieser Kollisionen entstehen, Teilchen auf enorme Energie beschleunigen. Diese wiederum erzeugen Radiostrahlung. „Die Stoßwellen innerhalb von Galaxienhaufen sind mit dem Knall vergleichbar, den ein Flugzeug beim Durchfliegen der Schallmauer erzeugt“, erklärt Marcus Brüggen, Professor für Astrophysik an der Bremer Jacobs University. „Nur erzeugt dieses Phänomen in dem Gas zwischen den Galaxien ein Leuchten im Radioband.“
Bogenförmige Radioquelle entdeckt
In neuen Beobachtungen mit Radiotelekopen in den Niederlanden, den USA und Indien haben Astronomen der Jacobs University, der Universität Leiden und der Thüringer Landessternwarte jetzt eine riesige, bogenförmige Radioquelle in einem relativ unbekannten Galaxienhaufen mit dem Namen „CIZAJ2242.8 5301“ gefunden. „Als wir die bogenförmige Struktur sahen, war uns sofort klar, dass wir auf etwas Besonderes gestoßen waren“, so Brüggen. Die Bilder zeigen, dass sich der Bogen über eine riesige Distanz von sechs Millionen Lichtjahren erstreckt.
„Der Bogen der ist so hell, dass er eigentlich schon früher hätte entdeckt werden müssen”, kommentiert Reinout van Weeren, Erstautor der Studie und Doktorand an der Universität Leiden, die spektakuläre Entdeckung. Ältere Himmelskartierungen hatten diese Strahlenquelle zwar schon erfasst, aber bis heute war sie niemandem aufgefallen.
Beobachtung bestätigt Voraussagen
Astronomen hatten bereits früher – wenn auch sehr unregelmäßige – Radioemissionen von Galaxienhaufen beobachtet, ohne jedoch eine genaue Erklärung für deren Entstehung zu haben. Simulationen dieses Phänomens an Supercomputern, die Brüggen und Matthias Hoeft von der Thüringer Landessternwarte auf der Basis von bestehenden Theorien durchführten, hatten die Eigenschaften solcher Radioemissionen vorhergesagt. „Es ist schon bemerkenswert, wie exakt der jetzt aufgespürte Lichtbogen unseren Voraussagen entspricht und somit eine absolut plausible Erklärung für die Entstehung der beobachteten Radiostrahlenemissionen liefert. Wir haben somit eine sehr gute neue Methode, die Entstehung von Galaxienhaufen zu untersuchen“, so Hoeft.
Kosmischer Teilchenbeschleuniger
Die Entdeckung liefert auch eine mögliche Erklärung für den Ursprung hochenergetischer Strahlung aus dem All, die die Erde erreicht. „Bis heute war unklar, woher die der Hauptanteil der kosmischen Strahlung stammt, die wir hier auf der Erde messen. Einige Teilchen verfügen über Energie, die millionenfach höher ist, als die, die der leistungsstärkste Teilchenbeschleuniger der Welt, der LHC am CERN, erzeugen kann. In unserer Galaxie gibt es sonst keine bekannte Quelle, die derart extreme Energie produzieren kann“, sagt Brüggen.
„Wir erwarten, in Zukunft hunderte von kollidierenden Clustern zu finden, die Radiowellen abstrahlen. Bisher sind allerdings nur einige wenige bekannt. Mit LOFAR, dem bald fertig gestellten größten und leistungsfähigsten Radioteleskop der Welt, können wir selbst schwache Strahlung von kleineren oder weiter entfernten Galaxienhaufen erfassen. Wir sind deshalb sehr gespannt auf die ersten LOFAR-Beobachtungen“, so der Jacobs-Astronom Marcus Brüggen, der das Konsortium für die deutsche
Beteiligung an LOFAR koordiniert.
Antennennetzwerk als Teleskop
LOFAR (das Akronym steht für LOw Frequency ARay), das im Juni dieses Jahres offiziell in Betrieb genommen wurde, ist ein komplett elektronisches Teleskop “der nächsten Generation”. Im Gegensatz zu klassischen Systemen hat es keine beweglichen Parabolantennen, um den Himmel zu scannen, sondern besteht aus einem Netz fest am Boden installierter Antennenfelder, die zum Teil hunderte Kilometer voneinander entfernt sind.
Dieses Antennen-Netzwerk erstreckt sich von seinem Zentrum in den Niederlanden aus über tausende von Kilometern durch Europa und speist die digitalisierten Signale jedes einzelnen Antennenfeldes in einen zentralen Supercomputer ein, der sie zu einem Bild zusammenfügt. Auf diese Weise erreicht LOFAR eine Auflösung, die der einer klassischen Parabolantenne von über 1.000 Kilometern Durchmesser entspricht, und ist außerdem in der Lage, in mehrere Richtungen zu „blicken“ und so mehrere Astronomen-Teams gleichzeitig mit Daten zu versorgen.
(Jacobs University Bremen, 24.09.2010 – NPO)