Gestörte Dunkelheit: Drei Viertel der großen astronomischen Observatorien weltweit sehen keinen völlig dunklen Himmel mehr – sie sind von Lichtverschmutzung betroffen, wie eine Studie enthüllt. Bei zwei Dritteln der großen Teleskopstandorte liegt das Streulicht von künstlichen Lichtquellen sogar bereits über der Zehnprozent-Marke, die die International Astronomical Union (IAU) als kritische Schwelle ansieht. Betroffen sind auch die Standorte von geplanten oder im Bau befindlichen Großteleskopen.
Die künstliche Beleuchtung unserer Straßen, Städte und Industrieanlagen macht nicht nur unsere Umgebung hell, sie erzeugt auch Streulicht, das weit über den eigentlichen Lichtkegel hinausreicht. Als Folge sehen rund 80 Prozent der Weltbevölkerung keinen richtig dunklen Nachthimmel mehr und die weltweite Lichtverschmutzung nimmt zu – auch in Deutschland gibt es kaum noch dunkle Orte.
Ein Problem für die Astronomie?
Besonders schwerwiegend ist diese Lichtverschmutzung für die Astronomie. Denn die sensiblen Optiken der großen Teleskope sind auf eine möglichst dunkle Umgebung angewiesen, um auch schwache kosmische Lichtquellen sehen zu können. Doch das Streulicht von irdischen Lampen, aber auch orbitales Streulicht von Satelliten und Weltraumschrott schränken diese Möglichkeiten immer weiter ein.
Wie stark astronomische Observatorien weltweit von der Lichtverschmutzung betroffen sind, haben Fabio Falchi vom Institut für Technik und Lichtverschmutzung in Italien und seine Kollegen nun untersucht. Sie führten dafür Messungen an 28 Observatorien mit Großteleskopen sowie mehr als einem Dutzend kleineren Teleskopen durch. Die Lichtbelastung erfassten sie mit fünf Indikatoren: der Helligkeit am Zenith, über den gesamten Himmel gemittelt, bei bis zu 30 Grad über dem Horizont, bei bis zu zehn Grad und direkt über dem Horizont.
Nur noch sechs Observatorien sind richtig dunkel
Das Ergebnis: Der Großteil aller Teleskope und astronomischen Observatorien ist trotz der meist entlegenen Standorte schon von Lichtverschmutzung betroffen. Dies gilt selbst für die Helligkeit am Zenith, dem normalerweise dunkelsten Teil des sichtbaren Himmels: Bei nur noch sechs der 28 großen Observatorien liegt die Helligkeit am Zenith weniger als ein Prozent über dem natürlichen Maß. Dazu gehören die Europäische Südsternwarte (ESO) auf dem Paranal in Chile, die Mauna-Kea-Teleskope und das Südafrikanische sowie das Australische Observatorium.
Skurril dabei: Einer dieser noch relativ dunklen Teleskop-Standorte bekommt Streulicht ausgerechnet von einer weiteren astronomischen Einrichtung: 38 Prozent des Zenith-Streulichts am Tokyo Atacama Observatory (TAO) stammt vom nur vier Kilometer entfernten Atacama Large Millimeter/submillimeter Array (ALMA). „Ironischerweise ist die Dunkelheit am TAO von der Lichtverschmutzung durch andere Astronomen beeinträchtigt“, so Falchi und seine Kollegen.
Zwei Drittel überschreiten Zehnprozent-Marke
Betrachtet man die Lichtbelastung auf einer Höhe von rund 30 Grad über dem Horizont, überschreiten 18 der 28 großen Observatorien sogar die Schwelle von zehn Prozent Streulicht, wie die Forschenden ermittelten. Ein solcher Wert wurde von der International Astronomical Union (IAU) als kritischer Grenzwert für die maximal tolerierbare Lichtverschmutzung definiert. Doch rund zwei Drittel der großen astronomischen Teleskop-Standorte haben diese Wert bereits überschritten, darunter alle Teleskope auf dem US-amerikanischen Festland.
„Beunruhigend ist zudem, dass auch einige der Standorte für künftige Teleskope nicht so ungestört sind, wie wir es erwarten würden“, berichten die Forschenden. Dazu gehört das Las Campanas Observatory in Chile, an dem bis 2029 das Giant Magellan Telescope gebaut werden soll. Hauptstörquelle für diesen Standort ist vor allem eine Autobahn in 40 Kilometer Entfernung. „Schon geringe jährliche Zunahmen der Lichtverschmutzung könnten dazu führen, dass solche Standorte den Grenzwert überschreiten, bevor sie überhaupt in Betrieb gehen“, so Falchi und sein Team.
„Letzter Weckruf“
Nach Ansicht der Wissenschaftler sind diese Ergebnisse alarmierend: „Diese Ergebnisse sind so etwas wie ein letzter Weckruf für ernsthafte, kollektive, entschlossene und kompromisslose Maßnahmen gegen die Lichtverschmutzung, ob sie nun von künstlichen Lichtquellen stammt oder von Sonnenlicht, das von künstlichen Objekten im Orbit reflektiert wird“, konstatieren die Forschenden. Es sei dringend nötig, hier gegenzusteuern, um die Zukunft der erdbasierten Astronomie zu schützen. (Monthly Notices of the Royal Astronomical Society, 2022; doi: 10.1093/mnras/stac2929)
Quelle: Royal Astronomical Society