Schützende Vibration: Wenn ein heftiger Sonnensturm das Erdmagnetfeld trifft, schwingt dessen Außengrenze wie ein Trommelfell – es bilden sich stehende Wellen. Solche Wellenmuster in der Magnetopause wurden schon vor 45 Jahren theoretisch vorhergesagt. Doch erst jetzt ist es gelungen, sie mithilfe der THEMIS-Satelliten der NASA eindeutig nachzuweisen, wie Forscher im Fachmagazin „Nature Communications“ berichten.
Dank der komplexen Schichten der irdischen Magnetosphäre sind wir vor der kosmischen Strahlung und dem Sonnenwind geschützt. Nur ein kleiner Teil der energiereichen Teilchen kann bei starken Sonnenstürmen bis in die obere Atmosphäre eindringen – und verursacht prächtige Polarlichter. Doch der Aufprall eines solchen Plasmasturms geht auch an der Magnetopause, der äußeren Grenzzone des Magnetfelds, nicht spurlos vorüber: Durch explosive Kontakte zwischen Magnetfeldlinien schießen Elektronenfontänen weit ins All hinaus, wie Forscher kürzlich herausfanden.
Das Geheimnis der stehenden Wellen
Die Kollision mit dem Sonnenwind bringt die gesamte Grenzschicht des Magnetfelds zum Schwingen. Wie auf einer Membran breiten sich auf ihr Oberflächenwellen aus. Einer vor 45 Jahren postulierten Theorie zufolge können diese Wellen unter bestimmten Bedingungen eine besondere Form annehmen: „Frühere Untersuchungen der Magnetopausen-Dynamik legten nahe, dass sich auf der sonnenzugewandten Seite auch sogenannte stehende Wellen ausbreiten können“, erklärt Koautor Ferdinand Plaschke vom Institut für Weltraumforschung in Graz.
Solche stehenden Wellen kommen zustande, wenn die Schwingungen sich von der Tagseite aus zu den Polen ausbreiten und dann dort von der Ionosphäre reflektiert werden. Stimmen die Frequenzen dieser Hin- und Her-Bewegung überein, bleiben Wellenberge und -täler der Wellen scheinbar an der gleichen Stelle stehen. Auch die Saite einer Gitarre oder die Membran einer Trommel kann solche stehenden Wellen ausbilden.
Kosmischer „Schlegel“ trifft Magnetfeld
Das Problem jedoch: Bisher war es keinem Wissenschaftler gelungen, solche stehenden Wellen in der Magnetopause nachzuweisen. „Angesicht von 45 Jahren erfolgloser Suche gab es schon Spekulationen, dass diese trommelfellartigen Vibrationen vielleicht doch nicht existieren“, sagt Erstautor Martin Archer von der Queen Mary University in London. Er und sein Team haben nun erneut die Magnetfeld-Daten der THEMIS-Satelliten der NASA ausgewertet.
Tatsächlich wurden sie fündig – dank eines perfekten kosmischen Timings. Denn im August 2007 zeichneten die THEMIS-Satelliten den Aufprall eines besonders heftigen, schnellen Sonnensturms auf das Erdmagnetfeld auf. Dieser Hochgeschwindigkeits-Jet schleuderte innerhalb von nur 100 Millisekunden große Mengen energiereicher Teilchen auf die Magnetopause – und wirkte damit wie ein Schlegel, der auf ein gespanntes Trommelfell trifft.
Endlich nachgewiesen
Das Entscheidende dabei: Aus den aufgezeichneten Daten geht hervor, dass die Magnetopause bei diesem Aufprall nicht einfach nur chaotische Wellen bildete. Stattdessen entstanden sehr niederfrequente Schwingungen, deren Verhalten auf die Bildung stehender Wellen hindeutete, wie die Forscher berichten. Mit anderen Worten: Wie in der Theorie vor 45 Jahren vorhergesagt, schwang die Außengrenze des Magnetfelds wie ein Trommelfell.
„Damit zeigen wir durch direkte Beobachtungen erstmals, dass dieser Mechanismus doch existiert“, konstatieren Archer und sein Team. „Das beweist, dass die Plasmagrenze die Energie von Oberflächenwellen in Form solcher Eigenmodi einfangen kann.“ Wie oft solche stehenden Wellen in der Magnetpause entstehen und welche Bedingungen dafür nötig sind, ist jedoch noch unbekannt. (Nature Communications, 2019; doi: 10.1038/s41467-018-08134-5)
Quelle: Queen Mary University of London, Österreichische Akademie der Wissenschaften