Dramatischer Wechsel: Erste Aufnahmen des Mars-Rovers Perseverance werfen neues Licht auf die Klimageschichte unseres Nachbarplaneten. Die Sedimente im Jezero-Krater bestätigen zwar, dass es dort einen Kratersee mit einem ruhig strömenden Zufluss gab. Doch dann wechselte das Klima zu heftigen Sturzfluten, die selbst metergroße Felsbrocken mitrissen. Dies könnte den Übergang von der lebensfreundlichen Frühzeit des Mars zu einem trockenen, kalten Klima dokumentieren, wie die Forscher im Fachmagazin „Science“ berichten.
Wie lebensfreundlich und wasserreich war der Rote Planet? Diese Frage ist noch immer nicht eindeutig beantwortet. Zwar deuten alte Flusstäler und Deltas, sowie Tonminerale darauf hin, dass der Mars einst wasserreicher gewesen sein muss als heute. Unklar ist aber, ob das Nass für langlebige Seen und vielleicht sogar Ozean reichte oder ob es doch nur vorübergehende Sturzfluten durch kurzzeitige Starkregen oder Schmelzwasser gab. Wäre letzteres der Fall, würde dies früheres Leben auf dem Mars deutlich unwahrscheinlicher machen.
Mit den Augen von Perseverance
Jetzt liefert der Mars-Rover Perseverance neue Antworten auf diese entscheidende Frage. Denn er ist im Februar 2021 im Jezero-Krater gelandet – einer rund 45 Kilometer großen Senke, in der bis vor rund 3,7 Milliarden Jahren ein großer See gelegen haben könnte. Dafür sprechen Spuren eines Flussdeltas, sowie spektrale Nachweise von Tonmineralen und Karbonatgestein durch Orbitersonden. Doch ob diese Annahme stimmt, ließ sich aus dem Orbit allein nicht klären.
Für ihre Studie haben Nicolas Nangold von der Universität Nantes und seine Kollegen Kameraaufnahmen und Multispektralbilder des Marsrovers ausgewertet, die den westlichen Teil des Kraterdeltas zeigen. Dort liegen aufragende Gesteinsformationen, in denen verschiedene Sedimentschichten zutage treten. Ihre Struktur und Abfolge erlaubt daher Rückschlüsse auf die Wasserstände im Kratersee, aber auch auf die Fließgeschwindigkeiten der Zuflüsse.
Kratersee und ruhiger Fluss
Die Aufnahmen enthüllen: Der Jezero-Krater hat schon in der Frühzeit des Mars zwei sehr unterschiedliche Phasen durchlebt – und es gab in ihm tatsächlich einen großen See. Das belegen feinkörnige Ablagerungen in den unteren Sedimentschichten, die von ruhigem, anhaltend präsentem Wasser und einem gleichmäßig einströmenden Zufluss zeugen. Bis vor rund 3,7 Milliarden Jahren war der Jezero-Krater demnach mehr oder weniger dauerhaft geflutet.
„Der Rover hat damit schon einmal eine der großen Fragen beantwortet – ob dieser Krater einst ein See war“, sagt Koautor Benjamin Weiss vom Jet Propulsion Laboratory der NASA. „Bevor wir dort gelandet sind und dies nun bestätigen können, stand dies immer in Frage.“ Zwar lag der Wasserspiegel des Jezero-Sees zumindest zeitweise rund 100 Meter tiefer als aufgrund der Orbiterdaten angenommen. Dennoch sehen die Forscher in den neuen Daten einen klaren Beleg dafür, dass das Klima des Mars in dieser Frühzeit warm und feucht genug für Gewässer war.
Verräterische Felsbrocken
Doch das blieb nicht so, wie die Aufnahmen von Perseverance dokumentieren. Die unteren Sedimentschichten im Jezero-Delta bestehen noch vorwiegend aus feinkörnigem Material, wie es für den Schwemmsand gemächlich fließender Gewässer typisch ist. Weiter oben jedoch wandelt sich das Bild: Dort finden sich zahlreiche bis zu einem Meter große und mehrere Tonnen schwere Felsblöcke, die nicht lokalen Ursprungs sind, wie die Forscher berichten.
Die multispektralen Aufnahmen des Rovers zeigen, dass diese Brocken nicht aus Schichtsilikaten und Olivin bestehen wie das meiste Sediment im Delta, sondern von calciumarmem Pyroxen dominiert werden. „Der Ursprung dieser Brocken muss daher entweder der Kraterrand von Jezero sein oder die freiliegenden Bereiche pyroxenreicher Kruste gut 60 Kilometer stromaufwärts vom Jezero-Krater“, berichten die Wissenschaftler.
Wechsel zu heftigen Sturzfluten
Das aber bedeutet: Die tonnenschweren Felsbrocken müssen über weite Entfernungen hinweg vom Wasser mitgerissen worden sein. „Man braucht energiereiche Sturzfluten, um so schwere und große Brocken so weit mitzureißen“, erklärt Weiss. Nach den Berechnungen der Forscher müssen bei diesen Fluten bis zu 3.000 Kubikmeter Wasser pro Sekunde in den Jezero-Krater gestürzt sein. Die Wassermassen rasten dabei mit bis zu neun Metern pro Sekunde den Hang hinab.
Nach Ansicht von Nangold und seinem Team spricht dies dafür, dass sich das Marsklima um diese Zeit stark wandelte. Auf das gleichmäßig feuchte, milde Klima folgte eine Phase, in der Regen nur noch sporadisch, aber heftig fiel – ähnlich wie heute in manchen Wüstengebieten der Erde. „Unsere Ergebnisse deuten auf einen zeitlichen Übergang im Energieregime der fluvialen Systeme im westlichen Delta hin – von einer anhaltend nassen Aktivität zu Episoden mit starken Sturzfluten, die metergroße Feldbrocken über Kilometer hinweg mitreißen konnten“, schreiben die Forscher.
Damit könnte der Jezero-Krater wertvolle Zeugnisse des Wandels konserviert haben, der den Mars von einer feuchten, lebensfreundlichen Welt zu einem kalten, trockenen Wüstenplaneten machte. „Zu dieser Zeit in der Planetengehsichte muss etwas sehr Grundlegendes passiert sein“, sagt Weiss. Was jedoch diesen Wandel auslöste, ist noch unbekannt. (Science, 2021; doi: 10.1126/science.abl4051)
Quelle: Massachusetts Institute of Technology