Wie ein betrunkener Vogel: Der Mars-Hubschrauber Ingenuity hat bei seinem sechsten Flugtest einige ungeplante und ziemlich gewagte Kapriolen vollführt. Zeitweise taumelte die autonom navigierende Drohne mehr als sie flog, wie die NASA berichtet. Ursache war ein Fehler in der Navigationskamera des kleinen Mars-Hubschraubers. Aber dank der ausgeklügelten Steuerungsalgorithmen blieb Ingenuity in der Luft und konnte anschließend unbeschadet landen.
Der Mars-Hubschrauber Ingenuity ist das erste menschengemachte Fluggerät, das sich in die Lüfte eines fremden Planeten erhoben hat. Nachdem die nur 1,8 Kilogramm schwere Drohne mit dem NASA-Rover Perseverance auf dem Mars gelandet war, startete sie am 19. April 2021 zu ihrem Jungfernflug. Seither hat der Mars-Helikopter bereits fünf weitere Flüge absolviert, bei denen er seine Reichweite und Flughöhe immer weiter steigerte und auch neue Flugmanöver ausprobierte.
Ruckeln und Kippen statt geradem Flug
Die Manöver beim sechsten Testflug von Ingenuity waren allerdings alles andere als geplant: Eigentlich sollte die Marsdrohne zunächst zehn Meter hoch steigen und dann in einer Art Dreieck 150 Meter weit nach Südwesten, dann nach Süden und dann nach Nordosten zurückfliegen. „Die Telemetrie zeigt, dass die ersten 150 Meter des Fluges problemlos waren“, berichtet Håvard Grip, Chefpilot des Mars-Helikopters vom Jet Propulsion Laboratory der NASA.
Dann aber geschah etwas Merkwürdiges: „Ingenuity veränderte seine Geschwindigkeit und begann, im Wechsel vor und zurück zu kippen“, so Grip. Die Sensordaten zeigten, dass sich die Marsdrohne dabei immer wieder um mehr als 20 Grad zur Seite neigte und taumelte. Statt des geplanten geradlinigen Fluges ähnelte ihr Verhalten eher einem trunkenen Taumeln. Glücklicherweise aber kam es nicht zum Absturz: Kurz vor der geplanten Landung fing sich Ingenuity wieder und setzte unbeschadet auf der Marsoberfläche auf.
Mit Trägheitssensoren und Navigationskamera
Was war passiert? Wie Grip berichtet, hat offenbar ein Fehler in der Navigationskamera die autonome Fluglagenkontrolle des Mars-Hubschraubers durcheinander gebracht. Normalerweise sorgt ein System von Trägheitssensoren dafür, dass Ingenuity seine Beschleunigung und seine Rotation beim Flug selbst regulieren kann. Sobald die Sensoren eine Veränderungen melden, prüft das Computergehirn der Drohne, ob diese dem Flugplan entspricht.
Zusätzlich jedoch nutzt Ingenuity die Bilder seiner Navigationskamera, um seine Position und Höhe anhand der auf diesen Aufnahmen sichtbaren Merkmale der Marsoberfläche zu überprüfen. „Diese nach unten gerichtete Kamera macht rund 30 Bilder pro Sekunde und speist sie sofort in das Navigationssystem des Hubschraubers ein“, erklärt Grip. Der Algorithmus prüft anhand der Zeitstempel der Aufnahmen, ob das Bild das zeigt, was es aufgrund der Positionsdaten und vorhergehenden Bilder zeigen müsste.
Sich widersprechende Informationen
Genau an diesem Punkt kommt der Fehler ins Spiel: „Nach etwa 54 Sekunden Flugzeit kam es bei der Übertragung der Navigationskamera-Aufnahmen zu einem Fehler, durch die ein Bild verloren ging“, erklärt Grip. „Das führte dazu, das alle folgenden Bilder den falschen Zeitstempel bekamen.“ Dadurch geriet der Kontrollalgorithmus durcheinander und versuchte ständig, die vermeintlichen Diskrepanzen zwischen dem Anblick des Untergrunds und der aufgrund der Sensordaten ermittelten Position und Fluglage zu korrigieren.
Die Folge waren die starken Taumelbewegungen der Marsdrohne. Dass Ingenuity nicht abstürzte, verdankt er seinem robusten, auf Ausfälle ausgelegten Steuerungssystem: „Wir haben Ingenuity so designt, dass er selbst signifikante Fehler toleriert ohne instabil zu werden“, erklärt sein Chefpilot. Hinzu kommt: In den letzten Phase des Landemanövers nutzt das Kontrollsystem keine Bilder der Kamera mehr.
Trotzdem sichere Landung
„Diese Entscheidung hat sich jetzt bei Testflug sechs ausgezahlt“, so Grip. „Ingenuity ignorierte dadurch die Kameraaufnahmen bei seiner Landung, hörte auf zu schwanken und setzte wie geplant auf dem Boden auf.“ Nach Ansicht des NASA-Ingenieurs hat die Marsdrohne durch diese ungeplanten Kapriolen bewiesen, wie robust sie selbst auf Fehler reagiert.
„Wir hatten einen solchen Flug zwar nicht geplant, aber er hat uns geholfen, Ingenuitys Grenzen der Belastungsfähigkeit weiter auszuloten.“ Grip und sein Team arbeiten nun daran, den Fehler zu beheben, damit der Mars-Hubschrauber weitere Flugtests absolvieren kann.
Quelle: NASA Jet Propulsion Laboratory