Sonnensystem

Mars hat eine unerkannte Zwischenschicht

Seismische Daten enthüllen flüssige Gesteinsschicht zwischen Marskern und Marsmantel

Marsschicht
Zwischen Marskern und Marsmantel liegt eine neu entdeckte Zwischenschicht aus flüssigem Gestein, wie reflektierte seismische Wellen enthüllen. © IPGP/CNES, N. Starter

Überraschende Entdeckung: Anders als bei der Erde grenzt der flüssige Marskern nicht direkt an den festen Marsmantel – es gibt eine flüssige Zwischenschicht aus geschmolzenem Gestein, wie nun seismische Messdaten enthüllen. Diese zuvor unerkannte, rund 150 Kilometer dicke Zwischenschicht lässt den Marskern größer und weniger dicht erscheinen, als er in Wirklichkeit ist. Zudem könnte sie erklären, warum der Mars heute kein Magnetfeld hat. Doch die Neuentdeckung wirft auch einige Fragen auf, wie Forschungsteams in „Nature“ berichten.

Mars und Erde sind ungleiche Brüder: Sie entstanden zwar aus ähnlichen Planetenbausteinen und im gleichen Bereich der Urwolke, zeigen aber klare Unterschiede. So hat die Erde ein Magnetfeld und Plattentektonik, der Mars dagegen nicht. Die Marskruste ist zudem deutlich dicker als die Erdkruste und auch die Bedingungen und Minerale im Marsmantel unterscheiden sich, wie seismische Messdaten der NASA-Raumsonde Mars InSight enthüllten.

Mars InSight
Die NASA-Sonde Mars InSight und ihr Seismometer auf dem Mars. © NASA/JPL-Caltech

Rätsel um den Marskern

Echte Rätsel gaben jedoch die bisherigen Daten zum Marskern auf. Anders als der Erdkern ist er nicht nur komplett flüssig, er schien mit einem Radius von 1.830 Kilometern auch ungewöhnlich groß zu sein. Als Indiz dafür galt die Reflexion von Scherwellen an einer flüssigen, weichen Zone unterhalb des festen Marsmantels. Analog zum irdischen Innenleben interpretierte man dies als Indiz für die Kern-Mantel-Grenze des Mars. Zudem ermittelten Forscher eine Dichte des Marskerns von nur rund sechs Gramm pro Kubikzentimeter – rund ein Drittel weniger als im Erdkern.

Demnach müssten der Eisen-Nickel-Legierung des Marskerns viel mehr leichtere Elemente beigemischt sein als dem Erdkern. Das aber passt nicht zu den gängigen Modellen der Planetenbildung von Mars und Erde. „Damit würde die Kernzusammensetzung des Mars mehr flüchtige Elemente wie Schwefel, Kohlenstoff und Wasserstoff erfordern, als kosmochemisch in den wahrscheinlichen Planetenbausteinen des Mars verfügbar war“, erklären Amir Khan von der ETH Zürich und seine Kollegen.

Täuschende Fest-Flüssig-Grenze

Auf der Suche nach einer Erklärung haben sowohl Khan und sein Team als auch ein zweites Team um Henri Samuel von der Universität Paris Cité unabhängig voneinander noch einmal die seismischen Daten der InSight-Landessonde analysiert. Dabei kam ihnen zugute, dass das Seismometer der Sonde noch kurz vor Ende der Mission mehrere besonders starke Beben aufzeichnete, die auch die Kernregion des Mars passierten.

Jetzt liegen die Ergebnisse beider Analysen vor – und enthüllen Überraschendes. Demnach handelt es sich bei der fest-flüssig-Grenze, die die seismischen Schwerwellen reflektiert, nicht um die Kern-Mantel-Grenze des Mars. Stattdessen existiert über dem flüssigen Metallkern offenbar noch eine weitere flüssige Schicht, die aus geschmolzenem Mantelgestein besteht. Mithilfe ergänzender Modelle ermittelten beide Teams, dass diese flüssige Zwischenschicht rund 150 Kilometer dick sein muss.

Marsinneres
Größe und Dichte des Marskerns passten bisher nicht zu gängigen Modellen. © AlexLMX/ Getty images

Marskern ist kleiner und dichter

Das bedeutet aber auch: Der Marskern muss deutlich kleiner sein als bisher gedacht, denn er kann erst unterhalb der neuentdeckten Zwischenschicht beginnen. „Daraus ergibt sich in unserem Szenario ein Kernradius von 1.650 Kilometern“, berichten Samuel und seine Kollegen. Khan und sein Team kommen für den marsianischen Kernradius auf 1.675 Kilometer. Daraus folgt noch eine weitere Korrektur, denn auch die Kerndichte muss nun neu berechnet werden. Für sie kommen beide Teams nun auf 6,5 bis 6,65 Gramm pro Kubikzentimeter – rund fünf bis acht Prozent mehr als zuvor.

Daraus ergeben sich auch andere Werte für die Metallmischung im Kern des Roten Planeten. „Die jetzt ermittelten Kerneigenschaften entsprechen einer Zusammensetzung aus 85 bis 91 Prozent Eisen-Nickel und neun bis 15 Prozent leichteren Elementen, darunter vor allem Schwefel, Kohlenstoff, Sauerstoff und Wasserstoff“, schreiben Khan und seine Kollegen. Damit verringert sich die Abweichung zur Zusammensetzung der Urwolke und der Planetesimale im frühen Sonnensystem.

Erklärung für das fehlende Mars-Magnetfeld?

Doch ist nicht die einzige Folge der neuentdeckten Zwischenschicht: „Eine solche Schicht kann ziemlich große Konsequenzen auch für den Rest des Planeten haben“, erklärt Samuels Kollege Vedran Lekic von der University of Maryland. „Denn ihre Existenz kann uns verraten, ob Magnetfelder erzeugt und erhalten werden können, wie sich der Planet mit der Zeit abkühlt und wie sich die Dynamik ihres Inneren mit der Zeit verändert.“ So wirkt diese Schicht aus schmelzflüssigem Gestein beispielsweise als thermische Barriere, die den Wärmeaustausch zwischen flüssigem Marskern und festem Mantel hemmt.

Das könnte erklären, warum der Mars – anders als die Erde – kein Magnetfeld hat. Weil sich das flüssige Eisen des Marskern durch diese Barriereschicht weniger abkühlt, bildet sich im Kern auch kein Temperaturgradient. Dadurch fehlt der Antrieb, um Konvektionsströmungen im heißen Eisenbad zu erzeugen – und damit den Dynamo für ein Magnetfeld. „Das erklärt, warum der Mars kein aktives Magnetfeld besitzt“, sagt Lekic.

Auch die wenigen Reste einer urzeitlichen, regionalen Magnetisierung des Roten Planeten wurden demnach wohl nicht von Metallströmen im Marskern generiert. Stattdessen muss es dafür andere Ursachen gegeben haben: „Die thermische Abdeckung des Metallkerns legt nahe, dass externe Quellen diese Magnetfelder in den ersten 500 bis 800 Millionen Jahren der Marsentwicklung verursacht haben müssen“, sagt Samuel. „Diese Auslöser könnten energiereiche Einschläge gewesen sein oder Kernbewegungen, die durch Schwerkraftwechselwirkungen mit früheren Monden des Mars entstanden sind.“

Noch einige offene Fragen

Die neuentdeckte Mars-Schicht verändert nicht nur unsere Annahmen zum marsianischen Kern, auch der Rest des Planeten und seine Entwicklung müssen zumindest in Teilen neu gedacht werden. „Diese neue Entdeckung einer geschmolzenen Gesteinsschicht ist nur ein Beispiel dafür, dass wir selbst von der schon beendeten InSight-Mission noch immer Neues lernen können“, sagt Lekic.

Allerdings wirft die Entdeckung auch neue Fragen auf. Denn wie und warum der Mars diese Schicht aus schmelzflüssigem Gestein bildete, ist noch strittig: Beide Forschungsteams schlagen dafür unterschiedliche Szenarien vor. Auch bei Temperatur und Dichte der neuentdeckten flüssigen Schicht sind sich die Wissenschaftler nicht ganz einig. Ungeklärt ist zudem, ob diese flüssige Schicht wirklich global ist. Denn die seismischen Daten haben vorwiegend eine Seite des Planeteninneren beleuchtet. Hier besteht daher noch einiger Forschungsbedarf. (Nature, 2023; doi: 10.1038/s41586-023-06586-4; doi: 10.1038/s41586-023-06601-8)

Quelle: Nature, University of Maryland, Institut de Physique du Globe de Paris

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