Tiefe Erschütterungen: Der Mars könnte noch heute vulkanisch aktiv sein – zumindest unter seiner Oberfläche. Ein Indiz dafür liefern tiefe Marsbeben, die das Seismometer der NASA-Sonde Mars InSight aufgezeichnet hat. Ihren Merkmalen nach könnten die Erschütterungen auf aufsteigende Magmaströme unter der jungen Vulkanregion Cerberus Fossae zurückgehen. Der obere Mantel des Mars ist demnach noch immer in Bewegung.
Wie viel Hitze gibt es noch im Inneren des Roten Planeten? Könnte es unter seiner Oberfläche womöglich heute noch vulkanische Aktivität geben? Zwar zeugen gewaltige Vulkanberge wie der Olympus Mons, Lavahöhlen sowie Calderen von Supervulkanen davon, dass der Mars früher vulkanisch aktiv war. Doch ob der Marsmantel heute noch heiß und dynamisch genug ist, um Magmaaufströme aufzuweisen, ist strittig.
Rätsel um niederfrequente Erschütterungen
Jetzt jedoch hat die Landesonde Mars InSight seismische Erschütterungen registriert, die ein neues Licht auf die Dynamik des Marsmantels werfen. Seit dem Absetzen eines Seismometers auf der Marsoberfläche Februar 2019 hat die Sonde schon mehr als 465 eindeutig identifizierbare Marsbeben aufgezeichnet. Ein Großteil davon sind hochfrequent und stammen aus geringer Tiefe – sie gelten daher als Erschütterungen, die durch Temperaturveränderungen der Marskruste verursacht wurden.
Es gibt aber 41 weitere Marsbeben, die niederfrequenter sind und sich in ihrer Wellenform von diesen flachen Beben unterschieden. Allerdings waren ihre seismischen Signaturen zu undeutlich, um ihre Herkunft bestimmten zu können. Deshalb haben nun Weijia Sun von der chinesischen Akademie der Wissenschaften und Hrvoje Tkalčić von der Australian National University in Canberra die Rohdaten des Mars-InSight-Seismometers erneut einer Analyse unterzogen.
Neue Beben aus junger Vulkanregion
Mithilfe von zwei analytischen Methoden suchten die Forscher dabei nach weiteren niederfrequenten Marsbeben – und wurden fündig. Sie identifizierten 47 zuvor unerkannte Beben, die ebenfalls auffallend niederfrequent waren und deren Merkmale besser erkennbar waren. „Aus der Ähnlichkeit ihrer Wellenformen schließen wir, dass es sich um wiederholte Beben aus der gleichen Herkunftsregion handelt“, berichten die Wissenschaftler.
Sie verorten das Epizentrum der neuen Marsbeben in der Region Cerberus Fossae – einer erst kürzlich in den Fokus der Aufmerksamkeit gerückten Marsregion. Denn dort haben Planetenforscher vulkanisches Material entdeckt, das möglicherweise erst innerhalb der letzten 50.000 Jahren ausgeschleudert wurde. In jedem Fall könnte diese Vulkanregion jünger sein als rund 20 Millionen Jahre.
Ursprung im Marsmantel
Interessant auch: Anders als die zuvor bekannten hochfrequenten Erschütterungen ereigneten sich die neu identifizierten Beben nicht nur in der ersten Nachthälfte, sondern auch mitten am Tag. Die seismischen Wellen legen zudem nahe, dass der Ursprung der neu identifizierten Beben deutlich tiefer liegt – im oberen Marsmantel. „Die substanzielle Tiefe dieser Marsbeben und ihre repetitive Natur machen es wenig wahrscheinlich, dass es sich hierbei um tektonische Aktivitäten an Krustenverwerfungen handelt“, erklärt das Team.
Stattdessen könnten diese Marsbeben durch Magmaströmungen im Marsmantel verursacht worden sein. „Wir gehen davon aus, dass die Bewegungen von geschmolzenem Gestein im marsianischen Mantel der Auslöser für diese 47 neuentdeckten Beben unter der Region Cerberus Fossae war“, sagt Tkalčić. Möglicherweise strömt unter der noch jungen Vulkanregion bis heute Magma aus größerer Tiefe nach oben.
Hat der Mars eine Mantelkonvektion?
Das aber bedeutet: Der Mantel des Roten Planeten könnte noch heute in Bewegung sein und damit heißer und dynamischer als bislang gedacht. Sollte sich dies bestätigen, wäre dies eine wichtige Erkenntnis nicht nur zum Ursprung der Marsbeben. „Die Frage, ob der Marsmantel noch aktiv ist, ist entscheidend für unser Verständnis der planetaren Geschichte des Mars“, sagt Tkalčić.
Der Einblick in den Marsmantel könnte unter anderem klären, ob der Rote Planet noch eine Mantelkonvektion ähnlich der der Erde besitzt oder nicht. Dies hätte Einfluss auf den Wärmetransport im Marsinneren und darauf, wie flüssig und dynamisch sein Kern noch ist. Und das wiederum ist entscheidend für die Frage, warum und wie der Mars sein einst globales Magnetfeld verlor.
„Wenn es diese Konvektion gibt – und danach sieht es auf Basis unserer Ergebnisse aus – dann muss es einen anderen Mechanismus geben, durch den das Magnetfeld des Roten Planeten verloren ging“, erklärt Tkalčić. Die Forscher hoffen, dass künftig weitere Daten von Mars InSight helfen werden, diese Fragen zu klären. (Nature Communications, 2022; doi: 0.1038/s41467-022-29329-x)
Quelle: Australian National University