Nach gängiger Theorie könnte ein gewaltiger Einschlag daran schuld sein, dass der Norden des Mars so viel flacher und tiefer ist als der Süden. Doch Schweizer Geophysiker kehren dieses Szenario nun um: Ihrem Modell nach wurde damals nicht der Norden, sondern die Südhalbkugel von einem mondgroßen Protoplaneten aus Eisen getroffen. Wie sie im Fachmagazin „Geophysical Research Letters“ berichten, könnte dies die heutigen Landschaftsformen des Mars sogar besser erklären.
Der Mars scheint geradezu zweigeteilt: Das Terrain seiner Nordhalbkugel liegt zwischen einem und drei Kilometern tiefer als der Süden und auch die Kruste ist unter den flachen Tiefebenen des Nordens dünner. Warum sich die beiden Hemisphären so deutlich unterscheiden, dazu gibt es mehrere Hypothesen. Neben frühen tektonischen Prozessen werden vor allem ein oder mehrere Einschläge großer Asteroiden als Ursache diskutiert.
Mega-Einschlag im Süden?
Die meisten Forscher gehen davon aus, dass der Mars kurz nach seiner Entstehung auf seiner Nordhalbkugel von einem sehr großen Brocken getroffen wurde. Die nördlichen Tiefebenen wären demnach die Relikte eines gewaltigen Einschlagsbeckens, dessen elliptische Form dann im Nachhinein durch Vulkanausbrüche verändert wurde. Geophysiker der ETH Zürich um Giovanni Leone schlagen nun jedoch ein alternatives Szenario vor: einen Einschlag eines mondgroßen Himmelskörpers auf der Südhalbkugel des Mars.
Das klingt zunächst absurd, denn typischerweise hinterlässt ein Einschlag eine Senke, nicht eine Erhebung. Auf dem Mars aber ist der Süden höher und bergiger als der flache Norden. Doch das Computermodell der Geophysiker zeigt, dass ein Impaktor aus Gestein zwar die heutigen Landschaftsformen nicht erzeugt haben könnte – wohl aber ein vorwiegend aus Eisen bestehender Riesenbolide von etwa einem Zehntel der Marsmasse.
Erst Magma-Meer, dann Hochland
In ihrem Modell ließen die Forscher einen Himmelskörper aus 80 Prozent Eisen mit einem Radius von 1.600 Kilometern und einer Geschwindigkeit von rund fünf Kilometern pro Sekunde auf den Mars treffen. Zeitpunkt des Geschehens: Rund 4 bis 15 Millionen Jahre nach Entstehung des roten Planeten. Die Marskruste war damals nur sehr dünn, darunter verbarg sich ein noch glutflüssiges Inneres.
Ihre Simulation zeigt, dass dieser Einschlag so viel Energie erzeugt haben könnte, dass er die Kruste der Südhalbkugel durchbrach. Es breitete sich ein Magmaozean aus, der die ganze Hemisphäre bedeckte. Als dieses schmelzflüssige Gestein dann vor rund 3.5 Milliarden Jahren erstarrte, bildete es das bergige Hochland, aus dem die heutige Südhalbkugel des Mars besteht. Das Modell habe die Ausdehnung und Form des Hochlands und der beiden Hemisphären perfekt abgebildet, berichten die Forscher.
Ungleiche Vulkanverteilung erklärt
Der Einschlag könnte zudem eine starke, hunderte Millionen Jahre anhaltende vulkanische Aktivität ausgelöst haben, wie das Modell zeigt. Vor allem rund um den Äquator wären dann zahlreiche Mantel-Plumes, die zum Südpol hin wanderten und sich dort vereinigten. Nach Ansicht der Forscher könnte dies erklären, warum die meisten Marsvulkane auf der Südhalbkugel liegen. „Unser Modell bildet die tatsächliche Verteilung des Vulkanismus beinahe deckungsgleich ab“, betont Leone. Kein anderes Modell habe sie bisher erklären können.
Auch das Erlöschen der Vulkane könnte nach Meinung der Forscher durch das Einschlags-Szenario erklärt werden: Mit zunehmender Abkühlung des Magma-Ozeans und der oberen Schichten des Planeten nahm auch der Wärmefluss ab. Nach einer Milliarde Jahren betrug der Wärmefluss noch ein Zehntel des Anfangswertes – zu wenig, um selbst den Vulkanismus aufrechtzuerhalten. Auch bisherigen Modelle und mineralogische Untersuchungen sprechen für ein Ende der vulkanischen Phase etwa um diese Zeit.
Einige Widersprüche
„Unsere Szenarien stimmen besser mit einer Vielzahl von Beobachtungen des Mars überein als die Theorie eines Einschlages in der Nordhemisphäre“, betont Leone. Allerdings: Woher im frühen Sonnensystem ein mondgroßer Himmelskörper gekommen sein soll, der fast komplett aus Eisen besteht, ist offen. Denn bisher gehen Planetenforscher davon aus, dass auch die großen Brocken, die später nicht zu Planeten wurden, in etwa die gleiche Materialverteilung wie die Erde und ihre „Geschwister“ aufwiesen.
Zudem würde Leones Szenario bedeuten, dass der Mars früher zwar wärmer, aber nicht wirklich lebensfreundlich war. „Bevor dieser Planet zum heutigen kalten und trockenen Ort wurde, war er von großer Hitze und von Vulkanismus geprägt“, so der Forscher. Dass auf dem Roten Planeten jemals Ozeane oder Wasserläufe vorkamen, hält er für fast unmöglich. Damit allerdings steht er zunehmenden Hinweise auf eine wasserreiche Vergangenheit des Roten Planeten entgegen. So entdeckte der Marsrover Curiosity im Jahr 2013 Indizien für einen Süßwassersee und lebensfreundliche Bedingungen.
Ob sich die provozierende Theorie der Forscher daher langfristig durchsetzt, oder ob es sich hier eher um einen skurrilen Ausreißer handelt, wird sich zeigen müssen. (Geophysical Research Letters, 2015; doi: 10.1002/2014GL062261)
(Eidgenössische Technische Hochschule Zürich, 30.01.2015 – NPO)