Allerdings: Dieses Modell kann nicht erklären, warum Daimos‘ Orbit um knapp zwei Grad gegen den Marsäquator geneigt ist – das dürfte bei einer „normalen“ Mondbildung nicht vorkommen.
Großer Innen-Mond trieb Daimos nach außen
Wie es dazu kam, erklären nun Forscher um Matija Cuk vom SETI-Institute mit einer Abwandlung dieses Szenarios. Demnach besaß der Mars in seiner Frühzeit einen massereichen Ring, der durch einen großen Einschlag entstanden ist. An der Außenseite dieses Rings ballten sich Staub und Trümmerbrocken zusammen und bildeten Monde – ähnlich wie auch in den Saturnringen neue Monde heranwachsen.
Durch diesen Prozess könnten vor 3,5 bis 4 Milliarden Jahren Daimos und ein innerer, deutlich größerer Marsmond entstanden sein. „Durch Schwerkraft-Wechselwirkungen mit dem Ring bewegen sich diese Monde allmählich weiter nach außen“, erklären Cuk und sein Team. Wenn der innere Mond etwa die 20-fache Masse des heutigen Phobos besaß, könnte eine Bahnresonanz mit Daimos dafür gesorgt haben, dass dessen Umlaufbahn nicht nur weit nach außen gedrückt wurde, sondern auch leicht kippte. Der innere Mond dagegen blieb knapp außerhalb des Rings im Einflussbereich der marsianischen Gezeitenkräfte.
Ring verschwindet, Mond zerreißt
Doch dieser Zustand war nicht stabil, wie das Modell nahelegt. Denn der Ring um den Mars wurde im Laufe der Zeit immer dünner, weil sein Material auf der Innenseite vom Planeten angezogen wurde und abstürzte. Je geringer aber die Masse des Rings wurde, desto stärker geriet der innere Marsmond in den Einfluss der marsianischen Anziehungskraft.
„Sobald der Marsring genügend ausgedünnt war, begann der Trabant durch die Gezeitenkräfte wieder nach innen zu driften“, erklären die Forscher. „Diese Wanderung nach innen hält solange an, bis der Mond zerrissen wird – und seine Trümmer einen neuen Ring bilden“, beschreiben Cuk und seine Kollegen das Geschehen. Der neue Ring um den Mars war allerdings etwas masseärmer als sein Vorgänger.
Ein sich wiederholender Zyklus
Der Clou dabei: Dieser Zyklus von Ringbildung, Mondentstehung und Zerfall könnte sich in den letzten knapp vier Milliarden Jahren mehrfach wiederholt haben. Jedes Mal entstand dabei aus dem Außenbereich des Marsrings ein Mond, der nach Schwund des Rings wieder zerfiel. Weil immer ein Teil des Ringmaterials vom Planeten „geschluckt“ wurde, wurden Ring und Mond immer kleiner und masseärmer.
Heute ist von dem einst großen inneren Marsmond nur noch der schmächtige Phobos übrig – er ist gewissermaßen das Enkelkind seines frühen Vorgängers. Und auch dieser innere Marsmond ist bereits dem Untergang geweiht: Pro Jahrhundert sinkt Phobos der Marsoberfläche um rund 1.,80 Meter entgegen. In rund 70 Millionen Jahren könnte er Schätzungen zufolge entweder zerreißen oder auf den Mars hinabstürzen.
Überprüfung im Jahr 2024 möglich
Wenn dieses zyklische Ring-Mond-Szenario stimmt, dann müsste der innere Marsmond Phobos beträchtlich jünger sein als Daimos. Cuk und sein Team schätzen, dass Phobos nur rund 200 Millionen Jahre alt ist, während Daimos aus der Frühzeit des Sonnensystems stammt.
Ob das der Fall ist, könnte sich schon im Jahr 2024 zeigen. Denn dann soll eine japanische Raumsonde Phobos besuchen und Proben von seiner Oberfläche zur Erde zurückbringen. Die Analyse dieser Proben würde es den Planetenforscher ermöglichen, das Alter des Marsmonds Phobos einzuschätzen – und damit auch das Zyklus-Szenario zu überprüfen. (Astrophysical Journal Letters, in press; arXiv:2006.00645)
Quelle: SETI Institute
8. Juni 2020
- Nadja Podbregar