Schwimmt sogar in Wasser: Astronomen haben einen jupitergroßen Exoplaneten um einen Roten Zwerg entdeckt, der eine ungewöhnlich geringe Dichte hat. Sie liegt bei nur 0,27 Gramm pro Kubikzentimeter – weniger als halb so hoch wie beim Saturn, dem „dünnsten“ Gasriesen des Sonnensystems. Noch nie zuvor wurde ein so „fluffiger“ Gasplanet um einen Roten Zwerg entdeckt. Gängige Modelle der Planetenbildung können nur schwer erklären, wie dieser Planet zustande gekommen ist.
Nach gängiger Theorie entstehen große Gasplaneten wie Jupiter und Saturn, wenn die Akkretionsscheibe um einen jungen Stern genügend Material enthält. Das ist typischerweise bei schwereren Sternen von mindestens einer Sonnenmasse der Fall. Dann entsteht zuerst ein massiver Gesteinskern, der anschließend viel Gas an sich bindet. Die große Schwerkraft des Protoplanetenkerns kann diese Gashülle über die Auflösung der Urwolke hinaus festhalten.
Doch auch um einige massearme Rote Zwerge haben Astronomen inzwischen Gasriesen entdeckt – obwohl die Akkretionsscheibe dieser Zwergsterne eigentlich zu massearm für einen so großen Planeten sein müsste. „Dazu kommt, dass die Akkretionsscheibe in der UV-reichen Umgebung der M-Zwerge eine kürzere Lebensdauer hat“, erklären Shubham Kanodia von der Pennsylvania State University und seine Kollegen. Der Protoplanet hat demnach eigentlich zu wenig Zeit, um einen ausreichend schweren Kern zu bilden.
Ungewöhnlich groß und nah
Jetzt haben die Astronomen um Kanodia einen Gasriesen entdeckt, der gleich in mehrerer Hinsicht aus dem Rahmen fällt. Der Exoplanet TOI-3757b liegt rund 580 Lichtjahre von uns entfernt und umkreist einen älteren Roten Zwerg. Dieser hat etwa 60 Prozent der Masse und Größe unserer Sonne. Transit-Beobachtungen mit dem TESS-Satelliten der NASA hatten bereits gezeigt, dass der Planet einen Durchmesser von rund 150.000 Kilometer hat. Er ist damit etwa so groß wie der Jupiter.
Damit gehört TOI-3757b zu den Gasriesen – schon dies ist bei einem Roten Zwerg selten. Dazu kommt jedoch, dass dieser Gasriese auch eine ungewöhnlich enge Umlaufbahn hat. Er benötigt nur 3,5 Tage für einen Umlauf um seinen Mutterstern, wie die Astronomen ermittelten. TOI-3757b ist seinem Stern damit zehnmal näher als der Merkur unserer Sonne. „Bisherige Durchmusterungen haben solche Riesenplaneten typischerweise viel weiter weg von den Roten Zwergen gefunden“, sagt Kanodia.
Fluffig wie ein Marshmallow
Noch überraschender ist jedoch die Dichte des Exoplaneten: Mithilfe erdbasierter Teleskope beobachteten die Astronomen das winzige Taumeln, das die Gravitation des Planeten bei seinem Stern verursacht und konnten so seine Masse ermitteln. Demnach ist TOI-3757b rund 85 Erdmassen schwer. Das aber bedeutet, dass dieser Gasriese zwar so groß ist wie Jupiter, aber nur ein Viertel so schwer. Seine Dichte liegt damit bei nur 0,27 Gramm pro Kubikzentimeter.
„TOI-3757b hat damit die geringste je bei einem Planeten um einen Roten Zwergstern gemessene Dichte“, konstatieren Kanodia und sein Team. Selbst der Saturn, der Gasplanet mit der geringsten Dichte in unserem Sonnensystem, ist doppelt so dicht wie dieser Exoplanet. Mit nur einem Viertel der Dichte von Wasser ist dieser Gasriese so fluffig wie ein Marshmallow und würde sogar in einem Wasserbecken schwimmen.
Klassische Erklärungen scheiden aus
Das Merkwürdige daran: Wenn Gasriesen eine außergewöhnlich geringe Dichte haben, dann liegt dies meist an einer sehr heißen, aufgeblähten Gashülle. Dies kommt vor, wenn der Planet viel Hitze von seinem Stern erhält – beispielsweise bei heißen Jupitern. „Doch der Wärmeeinstrom bei TOI-3757b ist im Vergleich zu anderen Gasriesen um M-Zwerge nicht anomal erhöht“, berichten die Astronomen. „Wir halten es daher für unwahrscheinlich, dass die aufgeblähte Natur von TOI-3757b auf stellare Hitze zurückgeht.“
Auch eine große innere Hitze kann Planeten aufblähen. Das ist typischerweise dann der Fall, wenn ein Planet noch sehr jung ist und sein Inneres kaum Zeit zum Abkühlen hatte. Im Fall von TOI-3757b ist aber auch das unwahrscheinlich, wie Kanodia und seine Kollegen erklären: Die Merkmale des Muttersterns sprechen dafür, dass er schon mehr als sieben Milliarden Jahre alt ist. Auch der Planet kann demnach kaum jünger sein.
Metallmangel und Gezeitenkräfte als Ursachen?
Was aber ist dann der Grund für die fluffige Natur dieses Gasriesen? Die Astronomen vermuten, dass zwei Faktoren dafür verantwortlich sein könnten: Zum einen haben Stern und Planet eine relativ geringe Metallizität – sie enthalten nur ein Drittel so viele schwere Elemente wie andere Rote Zwerge und ihre Gasplaneten. Die Akkretionsscheibe dieses Systems könnte demnach weit weniger Material zur Planetenbildung enthalten haben. Außerdem lösen sich solche Urwolken schneller auf als metallreichere, wie das Team erklärt.
Das bedeutet, dass der feste Kern des Gasriesen wahrscheinlich nicht schnell genug heranwachsen konnte, um seine volle Größe zu erreichen. Sein Kern blieb dadurch kleiner und masseärmer als bei anderen Gasriesen üblich und auch die Gasakkretion begann später. „TOI-3757b ist damit ein gescheiterter Jupiter“, sagen die Astronomen.
Der zweite Faktor: TOI-3757b umkreist seinen Stern auf einer leicht exzentrischen Umlaufbahn. Dadurch schwankt der Schwerkrafteinfluss des Sterns auf seinen Planeten während der Umkreisungen. Dies erzeugt dehnende und stauchende Gezeitenkräfte, die das Innere und die Gashülle des Gasriesen aufheizen können – und so zur Aufblähung führen. „Ein solcher Gezeiten-Effekt könnte zumindest für einen Teil der Aufblähung von TOI-3757b verantwortlich sein“, erklären Kanodia und seine Kollegen.
Die Suche geht weiter
Die Astronomen hoffen nun, durch weitere Untersuchungen zu klären, wie und warum dieser ungewöhnliche Exoplanet so wurde wie er ist. „Zukünftige Beobachtungen der Planeten-Atmosphäre mit dem neuen James-Webb-Weltraumteleskop könnten dabei helfen, mehr Licht auf die fluffige Natur dieses Planeten zu werfen“, sagt Koautorin Jessica Libby-Roberts von der Pennsylvania State University.
Zudem möchte das Team nach weiteren Gasriesen um Rote Zwerge suchen, um mehr über die Planetenbildung um solche Sterne zu erfahren. „Die Entdeckung weiterer Systeme mit Riesenplaneten – die bisher bei Roten Zwergen als extrem selten galten – bringt uns diesem Ziel näher“, sagt Kanodia. (The Astrophysical Journal, 2022; doi: 10.3847/1538-3881/ac7c20)
Quelle: NOIRLab