Verblüffend anders: NASA-Forscher haben erstmals die Windströmungen in der oberen Atmosphäre des Mars kartiert – und Überraschendes entdeckt. Denn anders als auf der Erde beeinflussen Landschaftsformen wie Gebirge oder Vulkane die Zirkulation des Mars bis in mehr als 280 Kilometer Höhe. Warum der Einfluss der Topografie auf dem Mars so weit reicht, ist noch unklar, einige Hypothesen haben die Wissenschaftler jedoch.
Obwohl der Mars nur eine dünne Atmosphäre besitzt, gibt es auch auf ihm Wind und sogar planetenumspannende Staubstürme. In Oberflächennähe haben schon mehrere Landesonden und Rover diesen Aspekt des marsianischen Wetters untersucht. Weitgehend unbekannt aber war bisher, was sich in der Thermosphäre des Mars tut – der Atmosphärenschicht in rund 120 bis 300 Kilometern Höhe. Denn keine der Raumsonden im Marsorbit konnte ihre Dynamik bisher einfangen.
MAVEN-Sonde umprogrammiert
Doch das hat sich nun geändert – durch eine raffinierte Zweckentfremdung. Denn für ihre Studie der Mars-Thermosphäre haben Mehdi Benna vom Goddard Space Flight Center der NASA und seine Kollegen eines der Messgeräte der MAVEN-Sonde der NASA umprogrammiert. Statt wie bisher statisch die Gasdichte und -zusammensetzung zu messen, führt das NGIMS-Spektrometer nun während der Messungen schnelle, regelmäßige Schwenks durch.
Durch diese Schwenks kann das Instrument größere Bereiche der Atmosphäre auf einmal abtasten und so auch die Strömungen in der Thermosphäre erfassen. Zusätzlich verändert die MAVEN-Sonde ihren Orbit und taucht so regelmäßig an verschiedenen Stellen in die Thermosphäre ein. „Indem wir Sonde und Instrument dazu brachten, etwas zu tun, wofür sie eigentlich nicht gedacht waren, haben wir die Windmessung möglich gemacht“, sagt Benna. Von 2016 bis 2018 konnte MAVEN so erstmals die Thermosphäre in ihrer Dynamik kartieren.
Einfluss der Landschaft reicht bis ganz nach oben
Das überraschende Ergebnis: Zwar strömen die Gase wie erwartet tagsüber vom Äquator aus bogenförmig zu den Polen und auch die Jahreszeiten haben typische Strömungsmuster. Doch anders als auf der Erde sind die Winde der Thermosphäre von der marsianischen Topografie beeinflusst. Selbst in mehr als 120 Kilometern Höhe erzeugen Canyons, Gebirge oder Senken messbare Wellenmuster in der Thermosphäre. „Auf der Erde sehen wir zwar ähnliche Wellen, aber nicht in so großen Höhen“, sagt Benna. „Das war eine große Überraschung, dass diese Wellen bis in 280 Kilometer Höhe reichen können.“
Warum ausgerechnet die Marsatmosphäre so sensibel auf die Topografie reagiert, ist nicht geklärt. Benna und sein Team vermuten aber, dass dafür zwei Faktoren eine Rolle spielen. Zum einen sind die Höhenunterschiede in der Marslandschaft weit extremer als auf der Erde – der Vulkan Olympus Mons ist beispielsweise 22 Kilometer hoch.
Schwerewellen bis in große Höhen
Zum anderen entstehen durch die Wechselwirkung der unteren Atmosphäre mit diesen Landschaftsformen Schwerewellen, auch als orographische Wellen bezeichnet. Diese stationären Dichtewellen kommen auch auf der Erde über Gebirgen vor. „Diese Schwerewellen transportieren ihre Energie und ihren Impuls aufwärts bis in die mittlere und obere Atmosphäre“, erklären Benna und seine Kollegen. „Dass sie aber bis in die von MAVEN erfassten Höhen reichen, hatten wir nicht vorhergesehen.“
Doch weil die Marsatmosphäre so dünn ist, können sich diese Wellen dort vermutlich besonders weit nach oben ausbreiten – und beeinflussen so auch die Strömungen in der Thermosphäre. (Science, 2019; doi: 10.1126/science.aax1553)
Quelle: University of Maryland