Astronomie

Massen-Karambolage im frühen Kosmos

12,4 Milliarden Jahre alter Proto-Galaxienhaufen gibt Astronomen Rätsel auf

Ein junger Cluster aus 14 Galaxien und mit enormer Masse existierte schon 1,4 Milliarden Jahre nach dem Urknall - überraschend früh (Illustration). © NRAO/AUI/NSF, S. Dagnello

Rätselhafter Gigant: Astronomen haben einen gigantischen Galaxienhaufen im frühen Kosmos bei seiner Bildung „ertappt“. Gleich 14 Galaxien vereinen sich in ihm zu einem Cluster mit Billionen Sonnenmassen. Überraschend daran: Dieser enorme Protocluster existierte bereits 1,4 Milliarden Jahre nach dem Urknall – deutlich früher als es Astronomen bisher für möglich hielten. Wie dieser Koloss so schnell so groß werden konnte, ist bisher rätselhaft, so die Forscher im Fachmagzain „Nature“.

Galaxienhaufen gehören zu den massereichsten und größten Strukturen im heutigen Kosmos. Sie umfassen hunderte bis tausende von Galaxien, die durch Schwerkraftwechselwirkungen aneinander gebunden sind, und können eine Masse von mehrereren Billiarden Sonnenmassen erreichen. Bisher nahmen Astronomen deshalb an, dass solche Giganten mehrere Milliarden Jahre für ihre Entstehung benötigen. Im frühen Kosmos dürfte es daher allenfalls kleine Vorstufen solcher Galaxien-Cluster geben – so die Annahme.

Allerdings haben Forscher in den letzten Jahren schon mehrfach große Galaxienhaufen entdeckt, die zehn bis elf Milliarden Jahre alt sind und damit Zweifel an dieser Theorie aufwarfen.

Kollision von 14 Galaxien

Einen noch älteren Mega-Protocluster haben nun Tim Miller von der Yale University in New Haven und seine Kollegen entdeckt. Mit dem Atacama Large Millimeter/Submillimeter Array (ALMA) hatten sie einige verwaschene Lichtflecken näher untersucht. Das überraschende Ergebnis: Die ALMA-Aufnahmen enthüllten einen massereichen Protocluster aus gleich 14 nahe beieinander liegenden Galaxien. Sie konzentrieren sich in einem Gebiet, das nur rund drei- bis viermal größer ist als die Milchstraße.

Der Protocluster SPT2349-56, aufgenommen mt dem ALMA-Teleskop. © ALMA (ESO/NAOJ/NRAO), B. Saxton (NRAO/AUI/NSF)

„Es scheint, dass wir hier einen Galaxienhaufen sehen, der gerade dabei ist zu entstehen“, sagt Co-Autor Chris Hayward von Center for Computational Astrophysics in New York City. Denn die Sternbildungsrate in dem SPT2349-56 getauften Protocluster ist extrem hoch – sie liegt 50 bis 1.000-fach höher als in der Milchstraße. Das deute auf starke Schwerkraft-Wechselwirkungen der 14 Galaxien untereinander hin, so die Astronomen.

Zu groß für sein Alter

Das Überraschende jedoch: Der Protocluster ist mit rund zehn Millionen Sonnenmassen ein kosmischer Riese – und trotzdem schon 12,4 Milliarden Jahre alt. Diese enorme Massen-Ansammlung existierte demnach schon 1,4 Milliarden Jahre nach dem Urknall. Nach gängiger Theorie benötigt ein Galaxienhaufen dieser Größe jedoch Milliarden Jahre für sein Wachstum – SPT2349-56 dürfte daher zu diesem frühen Zeitpunkt des Kosmos eigentlich noch nicht existieren.

„Einen so massereichen Galaxienhaufen in seiner Entstehung zu erwischen, ist schon für sich genommen spektakulär“, sagt Co-Autor Scott Chapman von der Dalhousie University in Kanada. „Aber die Tatsache, dass dies so früh in der Geschichte des Universums geschieht, ist eine echte Herausforderung für unser gegenwärtiges Verständnis der Strukturbildung im Universum.“

Entstehung rätselhaft

Klar scheint, dass dieser neuentdeckte Protocluster und seine Galaxien schneller gewachsen sein müssen als man es bisher für möglich hielt. Auf welche Weise ein solches Turbo-Wachstum im frühen Kosmos jedoch stattgefunden haben könnte, ist bisher unklar. „Wie diese Galaxienansammlung so schnell so groß werden konnte, ist daher ein ziemliches Rätsel“, sagt Miller.

Immerhin etwas klarer scheint die weitere Entwicklung von SPT2349-56 zu sein: Nach den Berechnungen der Astronomen muss dieser frühe Gigant zu einer der größten Strukturen des Kosmo herangewachsen sein. Er könnte heute rund eine Billiarde Sonnenmassen umfassen. Damit wäre er etwa so groß wie der Coma-Galaxienhaufen, ein Cluster aus mehr als tausend Galaxien, der rund 300 Millionen Lichtjahre von der Sonne entfernt liegt. (Nature, 2018; doi: 10.1038/s41586-018-0025-2)

(ESO, National Radio Astronomy Observatory, 26.04.2018 – NPO)

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