Der Merkur, sonnennächster Planet unseres Sonnensystems, hat einen Kern aus geschmolzenem Eisen gemischt mit Schwefel. Das haben Astronomen mithilfe einer neuen Radartechnik aus winzigen Schwankungen in der Rotation des Planeten herausgefunden. Die jetzt in Science veröffentlichten Ergebnisse eröffnen nicht nur neue Möglichkeiten für die Planetenerkundung, sie beantworten auch einige der seit langem offenen Fragen zum Merkur.
In der Küche gibt es einen einfachen und effektiven Trick, um herauszufinden ob ein Hühnerei gekocht oder roh ist: Man versetzt es, wie einen Kreisel, in Rotation und beobachtet, wie es sich weiter dreht. Ist das Innere noch flüssig, bremst seine Trägheit die Rotation und das Ei kommt sehr schnell wieder zum Stillstand. Einen ähnlichen Test hat jetzt ein Astronomenteam unter Leitung von Jean-Luc Margot, Professor der Cornell Universität, durchgeführt.
Ein Radarstrahl und drei Radioteleskope
Die Forscher nutzten drei weit auseinander liegende Radioteleskope – das 70-Meter NASA-Teleskop im kalifornischen Goldstone, das Radioteleskop von Arecibo in Chile und das Green Bank Teleskop in West Virginia – um winzigste Veränderungen in der Rotation des Planeten nachzuweisen. Diese so genannten longitudinalen Librationen entstehen, weil die Anziehungskraft der Sonne wechselnde Einflüsse auf die leicht asymmetrische Form des Planeten ausübt.
Dafür richteten sie ein starkes Radarsignal auf die Oberfläche des Merkur und analysierten die Muster des vom Planeten zurückgeworfenen Echos. Anhand der jeweils für die unterschiedlichen Oberflächenstrukturen charakteristischen Muster im Echo konnten die Wissenschaftler die Drehgeschwindigkeit messen: Sie registrierten, wie lange es dauerte, bis eine zuvor an der Messstelle „gescannte“ Oberflächenstruktur an zwei der drei irdischen Teleskope registriert wurde. Auf diese Weise gelang es, die Rotation des Planeten bis auf ein hunderttausendstel genau zu bestimmen und auch die leichten Schwankungen ausfindig zu machen.
Schwankungen doppelt so groß
Nach 21 Messungen, die jeweils nur dann möglich waren, wenn Erde und Merkur in einer bestimmten Ausrichtung zueinander standen, war es dann soweit: Die Daten zeigten deutlich, dass die Veränderungen in der Rotation, die gesuchten Librationen, doppelt so groß waren wie für einen völlig festen Himmelskörper typisch. Der Kern des Planeten muss daher flüssig sein, so der Schluss der Forscher. Nur wenn er sich aufgrund der Trägheit nicht oder nur teilweise mitdreht, sind solche Schwankungen erklärbar.
Schwefel mit Eisen gemischt
Damit ist auch die lange offene Frage nach der Natur des Kerns geklärt. Der Merkur besteht nach gängiger Lehrmeinung aus einem Eisenkern umgeben von einem Silikat-haltigen Mantel. Allerdings müsste der Kern eines Planeten seiner geringen Größe normalerweise längst erstarrt sein. Schmelzflüssig kann er nur dann bleiben, wenn ein leichteres Element, wie beispielsweise Schwefel, dem Eisen beigemischt ist und so dessen Schmelzpunkt erniedrigt. Die neuen Daten geben nun neue Hinweise darauf, dass eine solche Mischung in der Frühzeit des Sonnensystems auch bei den sonnennahen Planeten stattgefunden hat.
Doch trotz der neuen Ergebnisse birgt der Merkur noch immer zahlreiche Geheimnisse. Die Astronomen hoffen, dass die NASA-Sonde Messenger, die 2008 den Planeten passieren soll, hier neue Aufschlüsse bringt. Ab 2011 wird die Sonde den Merkur umkreisen und so erstmals detailiertere Untersuchungen ermöglichen. „Wir hoffen sehr, dass Messenger die verbleibenden Fragen klären wird, die wir vom Boden aus nicht angehen können“, so Margot.
(NASA, 04.05.2007 – NPO)