Doch kein Meteoritenstaub? Messdaten werfen ein neues Licht auf die rätselhaft dunklen Stellen des Merkur. Sie bestätigen zwar, dass dieser dunkle Überzug durch ungewöhnlich viel Kohlenstoff verursacht wird. Aber sie widersprechen der These, dass rußiger Staub aus dem All die Ursache für diese Ablagerungen ist. Stattdessen muss der Kohlenstoff aus dem urzeitlichen Magmaozean des Planeten stammen, wie Forscher im Fachmagazin „Nature Geoscience“ berichten.
Der Merkur gibt Planetenforschern gleich mehrere Rätsel auf: Neben einem zu großen Kern, und mysteriösen Steilkanten ist dies vor allem seine in großen Einschlagskratern ungewöhnlich dunkle Oberfläche. Das Seltsame daran: Normalerweise entstehen solche dunklen Stellen bei Planeten und Monden durch Eisenverbindungen. Bei unserem Erdmond beispielsweise sorgen eisenhaltiges Pyroxen und andere Eisenmineralien für eine verringerte Reflexion der Oberfläche.
Kein Eisen, aber was dann?
Aber Messungen zeigen, dass die Merkurkruste maximal zwei bis drei Prozent Eisen enthält – das ist viel zu wenig, um die dunkle Oberfläche des Planeten zu erklären. Im März 2015 schlugen Forscher daher eine andere Erklärung vor: Ein ständiger Regen aus dunklen, kohlenstoffhaltigen Mikrometeoriten könnte die Ursache sein – ähnlich wie beim Saturnmond Iapetus.
Jetzt jedoch liefern Daten der NASA-Raumsonde MESSENGER neue Hinweise auf den Grund für Merkurs „Düsternis“. Bei ihren letzten Umkreisungen des Planeten hatte die Sonde die Merkuroberfläche aus weniger als 100 Kilometern Höhe mit ihrem Neutronen-Spektrometer abgetastet. Dieses misst den Energiegehalt und die Geschwindigkeit der Neutronen, die von kosmischer Strahlung aus der Oberfläche geschlagen werden. Dies erlaubt Rückschlüsse auf die Elementzusammensetzung.
Graphit als Dunkelmacher
Das Ergebnis: Die dunkle Schicht auf der Merkur-Oberfläche enthält tatsächlich kaum Eisen, sondern stattdessen vermehrt Kohlenstoff. Dieser liegt wahrscheinlich als Graphit vor, denn seine Merkmale passen am besten zu den gemessenen Spektren, wie die Forscher berichten. Zwischen einem und drei Gewichtsprozent mehr registrierte das Spektrometer an den dunklen Stellen im Vergleich zur helleren Umgebung.
„Das ist ungewöhnlich hoch, denn typischerweise kommt Kohlenstoff nur in sehr geringen Konzentrationen vor: Auf Mond, Mars und Erde sind dies nur rund 100 parts per Million“, erklärt Studienleiter Patrick Peplowski vom Applied Physics Laboratory der Johns Hopkins University in Laurel. Die jetzt gemessenen Werte stimmen jedoch genau mit den Kohlenstoffmengen überein, die den Modellrechnungen nach nötig wären, um die Merkur-Oberfläche so einzudunkeln.
Nicht aus dem All, sondern von unten
Die Messdaten der Raumsonde liefern wertvolle Hinweise darauf, woher dieser überschüssige Kohlenstoff gekommen sein könnte. Denn wie sie zeigen, häufen sich das Graphit und die dunklen Stellen vor allem an großen Einschlagskratern. Das jedoch spricht gegen die Mikrometeoriten-Hypothese, wie die Forscher erklären. Denn ein gleichmäßiger und anhaltender Regen von rußigen Mikrometeoriten müsste ein gleichmäßigeres Muster erzeugen.
Stattdessen scheint das dunkle Material unterhalb der heutigen Oberfläche zu liegen und nur an einigen Stellen zutage zu treten. „Die globale Kartierung der dunklen Stellen zeigt, dass ihr Ursprung tief in der Merkurkruste liegen muss, denn diese Ablagerungen wurden nur durch große Einschläge an die Oberfläche befördert“, erklärt Koautorin Rachel Klima von der Johns Hopkins University.
Relikt des frühen Magmaozeans?
Wie aber ist der Kohlenstoff dann auf den Merkur gelangt, wenn es die Meteoriten nicht waren? Die Antwort von Peplowski und seinen Kollegen lautet: Er war immer schon da. Ihrer Ansicht nach ist dieser dunkle Kohlenstoff ein Überbleibsel aus der Zeit, als noch ein glühender Magmaozean den Planeten bedeckte.
„Als dieser Magmaozean abkühlte und die Minerale begannen auszukristallisieren, sanken sie alle in der Schmelze ab – mit Ausnahme des Graphits“, erklärt Klima. „Das Graphit war zu leicht und sammelte sich daher als Kruste auf dem Magmaozean.“ Diese kohlenstoffhaltige Urkruste des Merkur könnte vor rund 4,5 Milliarden Jahren rund einen Kilometer dick gewesen sein, wie die Forscher anhand der Messwerte hochrechnen.
Untergemischt und überdeckt
Im Laufe der Merkurgeschichte sorgten dann jedoch Vulkanismus und unzählige Meteoriteneinschläge dafür, dass der Kohlenstoff untergemischt und von anderen Materialien überdeckt wurde. Nur dort, wo große Meteoriten Teile der unteren Krustenschichten freilegten, tritt heute das dunkle Material noch zutage.
„Wenn sich das bestätigt, dann erblicken wir an diesen Stellen die ursprüngliche, 4,5 Milliarden Jahre alte Kruste des Merkur“, sagt Klima. Ihr Kollege Peplowski ergänzt: „Sollten dies tatsächlich die Überreste der Original-Kruste sein, dann kann uns ihre Zusammensetzung viele über die früheste Geschichte des Merkur verraten.“ (Nature Geoscience, 2016; doi: 10.1038/ngeo2669)
(Johns Hopkins University Applied Physics Laboratory, 08.03.2016 – NPO)