Astronomen haben eine neue Art der Sternexplosion bei Weißen Zwergen entdeckt – eine Mikronova. Dabei zündet das von einem Begleitstern abgesaugte Material eine Kernfusion und löst eine thermonukleare Explosion aus. Anders als klassische Nova-Ausbrüche wird diese Kettenreaktion jedoch durch starke Magnetfelder lokal begrenzt und kann sich daher nicht über die gesamte Sternenoberfläche ausbreiten, wie das Team im Fachmagazin „Nature“ berichtet.
Wenn sonnenähnliche Sterne das Ende ihres Lebenszyklus erreichen, werden sie zu Weißen Zwergen – ausgebrannten Sternenresten, die allmählich erkalten. Doch ist der Weiße Zwerg Teil eines Doppelsternsystems, kann er zum Kannibalen werden und seinem Begleiter Material absaugen. Häufig kommt es dabei zu Explosionen in der Akkretionsscheibe aus „gestohlenem“ Gas, sogenannten Zwergnovae. Das Material kann aber auch in den Sternenrest gezogen werden und dort vorübergehend eine Wasserstoff-Kernfusion zünden – eine Nova.
Rätselhafte Ausbrüche
Doch schon länger beobachten Astronomen bei einigen Weißen Zwergen Helligkeitsausbrüche, die in keine dieser Kategorien zu passen scheinen. „Während dieser Ausbrüche erhöht sich die optische und Infrarothelligkeit innerhalb von weniger als einer Stunde um das Dreifache und flaut dann in rund zehn Stunden wieder ab“, berichten Simone Scaringi von der Durham University in Großbritannien und sein Team.
Das Merkwürdige daran: Die Helligkeitsausbrüche sind zu kurz, zu schwach und zu abrupt, um von einer klassischen Nova zu stammen. Denn diese thermonuklearen Explosionen halten typischerweise mehrere Tage bis Wochen an. Für eine Zwergnova wiederum ereignen sich die Ausbrüche zu unregelmäßig, teilweise folgen mehrere solcher Eruptionen in kurzem Abstand dicht hintereinander.
Ganz neue Form der Explosion
Um diesem Phänomen auf die Spur zu kommen, haben Scaringi und seine Kollegen drei Weiße Zwerge mit solchen kurzen Helligkeitsausbrüchen näher untersucht. Sie beobachteten dafür den rund 1.630 Lichtjahre entfernten Weißen Zwerg TV Columbae sowie seine „Artgenossen“ EI Ursa Majoris und ASASSN-19bh mit dem NASA-Weltraumteleskop TESS und dem Very Large Telescope der Europäischen Südsternwarte (ESO) in Chile.
Die Beobachtungen bestätigten, dass die Helligkeitsausbrüche von den Weißen Zwergen ausgehen und dass sie zu keinem der bisher bekannten Explosionstypen passen. Den Astronomen zufolge muss es sich stattdessen um eine ganz neue Form der thermonuklearen Explosion handeln. „Wir haben erstmalig ein Phänomen entdeckt und identifiziert, das wir als Mikronova bezeichnen“, erklärt Scaringi.
Mikronova: Lokal statt global
Den Astronomen zufolge beruht eine solche Mikronova zwar auch auf einer thermonuklearen Explosion und damit auf einer kurzzeitigen Zündung der Kernfusion. Dennoch erreicht diese explosive Kettenreaktion nur etwa ein Millionstel der Intensität einer Nova. Allerdings ist die freigesetzte Energie trotzdem noch enorm: Ein einziger dieser Ausbrüche kann etwa 20.000 Billionen Tonnen Material verbrennen, das entspricht etwa der Masse von 3,5 Milliarden Cheops-Pyramiden.
„Dieses Ereignis stellt unser Verständnis davon in Frage, wie thermonukleare Explosionen in Sternen ablaufen“, sagt Scaringi. Denn normalerweise breiten sich solche Kettenreaktionen schnell über die gesamte Oberfläche eines Weißen Zwergs aus. Bei der Mikronova scheint dies aber nicht der Fall: „Angesichts der kurzen Dauer und der freigesetzten Energien muss diese thermonukleare Reaktion auf ein kleines Gebiet der Sternenoberfläche beschränkt sein und nur eine begrenzte Menge an Material verbrennen“, schreiben Scaringi und seine Kollegen.
Kettenreaktion im Magnetkäfig
Das wirft die Frage auf, warum und wie die Mikronova auf nur einen kleinen Teil der Oberfläche begrenzt bleibt. Die Astronomen vermuten, dass dabei Magnetfelder eine entscheidende Rolle spielen. Denn anders als viele andere Weiße Zwerge besitzen die drei Mikronova-Kandidaten ein starkes Magnetfeld. Dessen Feldlinien können offenbar eine Art Käfig für das abgesaugte Material bilden und es so in einem kleinen Bereich der Oberfläche konzentrieren.
„An der Basis der Magnetpole einiger Weißer Zwerge kann der Wasserstoffbrennstoff festgehalten werden, so dass die Fusion nur an diesen Magnetpolen stattfindet“, erklärt Koautor Paul Groot von der Radboud Universität in den Niederlanden. Weil die für die Fusion nötigen Dichten und Temperaturen nur in diesem kleinen „Käfig“ erreicht werden, bleibt die thermonukleare Kettenreaktion lokal begrenzt.
Kein Einzelfall
Nach Ansicht der Astronomen könnte dies bedeuten, dass solche Mikronovae deutlich häufiger sind als bisher beobachtet. Denn auch bei einigen anderen Weißen Zwergen wurden schon Helligkeitsausbrüche unklarer Ursache beobachtet. „Diese Ereignisse können tatsächlich recht häufig vorkommen, aber weil sie so schnell ablaufen, ist ihre Beobachtung schwierig“, sagt Scaringi.
Einem ergänzenden Modell zufolge kommen Mikronovae vor allem bei eher massereichen Weißen Zwergen mit starkem Magnetfeld vor. Nur sie können genügend Material auf engem Raum konzentrieren, um die lokale Fusion zu zünden. „Gleichzeitig erfolgen die thermonuklearen Reaktionen auf solchen Objekten in geringerer Tiefe, so dass mehr Strahlung entweichen kann“, erklären Scaringi und seine Kollegen. Das macht die Ausbrüche leichter sichtbar.
Die Astronomen wollen nun nach weiteren Mikronovae suchen, um mehr über die genauen Mechanismen und Abläufe dieser neuartigen Explosionen herauszufinden. (Nature, 2022; doi: 10.1038/s41586-022-04495-6)
Quelle: Durham University, European Southern Observatory (ESO)