Dramatischer Ausbruch: Vor rund einer Milliarde Jahren erlebte die Milchstraße eines der energiereichsten Ereignisse ihrer Geschichte – eine wahre Explosion der Sternbildung. In kurzer Zeit entstanden dabei fünf Prozent der gesamten Sternenmasse unserer Galaxie, wie Astronomen im Fachmagazin „Nature Astronomy“ berichten. Dieser Ausbruch zog zudem hunderttausende von Supernova-Explosionen nach sich – und könnte sogar die rätselhaften Fermi-Blasen erklären.
Im Zentrum der Milchstraße liegt nicht nur das zentrale Schwarze Loch unserer Galaxie, dort werden auch die meisten neuen Sterne geboren. Gleichzeitig finden sich dort auch viele alte Sterne, die wertvolle Informationen über die Geschichte unserer Galaxie liefern können. Das Problem jedoch: Ein Großteil des galaktischen Zentrums ist von dichtem Staub verhüllt, der optischen Teleskopen den Blick ins Innere verwehrt.
Doch nun haben Astronomen einen neuen Einblick in das Herz unsere Galaxie gewonnen – mit überraschenden Ergebnissen. Francisco Nogueras-Lara vom Institut für Astrophysik und sein Team hatten dafür den Zentralbereich der Milchstraße mit dem HAWK-1-Instrument am Very Large Telescope der Europäischen Südsternwarte (ESO) in Chile abgetastet. Weil diese Kamera infrarotes Licht auswertet, kann sie durch die verhüllenden Staubwolken hindurchblicken.
Explosion der Sternbildung
Dabei zeigte sich: „Im Gegensatz zu dem, was bisher angenommen wurde, haben wir festgestellt, dass die Sternentstehung nicht kontinuierlich war“, berichtet Nogueras-Lara. Demnach sind rund 80 Prozent der Milchstraßen-Sterne schon vor 13,5 bis acht Milliarden Jahren entstanden. Doch dieser ersten Phase der Sternbildung folgten etwa sechs Milliarden Jahre der Pause, in denen kaum neue Sterne entstanden – schon dies war für die Astronomen unerwartet.
Noch überraschender aber war, was danach geschah: Vor rund einer Milliarde Jahren setzte die Sternbildung plötzlich wieder ein – und das mit extremer Wucht. Innerhalb von nur 100 Millionen Jahren entstanden im zentralen Bereich der Galaxie Sterne mit einer Gesamtmasse von bis zu einigen zehn Millionen Sonnen – das entspricht rund fünf Prozent der gesamten stellaren Masse der heutigen Milchstraße, wie die Forscher berichten.
Feuerwerk von Supernovae
„Diese Aktivitätswelle war wahrscheinlich eines der energiereichsten Ereignisse in der gesamten Geschichte der Milchstraße“, sagt Nogueras-Lara. „Die Bedingungen während dieses Aktivitätsausbruchs müssen denen in sogenannten Starburst-Galaxien ähnlich gewesen sein.“ In diesen liegt die Sternbildungsrate bei mehr als 100 Sonnenmassen pro Jahr. Demgegenüber entstehen in der gesamten heutigen Milchstraße jährlich nur ein bis zwei Sonnenmassen an neuen Sternen.
Und noch etwas brachte dieser Ausbruch der Sternbildung mit sich: eine wahre Schwemme an Supernovae. Denn die vor rund einer Milliarde Jahren gebildeten Sterne waren größtenteils sehr massereich und daher kurzlebig. Deshalb explodierten sie schon nach wenigen Millionen Jahren wieder. Als Folge war diese aktive Phase der Milchstraße von mehr als hunderttausend Supernova-Explosionen geprägt – ein wahres Feuerwerk.
Erklärung für die mysteriösen Fermi-Blasen?
Nach Ansicht der Astronomen könnte die besonders aktive Sternbildungsphase der Milchstraße auch einige bisher rätselhafte Phänomene rund um das galaktische Zentrum erklären. Zu diesen gehören unter anderem die gigantischen Fermi-Blasen aus schnellen Gasen und energiereicher Strahlung, aber auch Schornsteine aus glühendem Plasma. Bisher galt ein starker Ausbruch des zentralen Schwarzen Lochs Sagittarius A* als wahrscheinlichste Ursache für diese Gebilde.
Doch Nogueras-Lara und sein Team halten auch einen Zusammenhang mit dem Feuerwerk der Supernovae vor knapp einer Milliarde Jahren für durchaus möglich. „Schon ein kleiner Anteil der dabei freigesetzten Energie wäre ausreichend, um die Energie der Röntgen-Ausströme zu erklären“, sagen die Forscher. „Die jüngste Sternbildung, kombiniert mit der Aktivität von Sagittarius A*, liefert daher eine plausible Erklärung für die beobachteten Ausströme.“ (Nature Astronomy, 2019; doi: 10.1038/s41550-019-0967-9)
Quelle: ESO, Nature Astronomy