Wie viele Arme hat die Milchstraße? Diese Frage ist seit Jahren umstritten. Zunächst sprachen Kartierungen lange Zeit für vier, seit einigen Jahren sah das gängige Bild nur zwei Hauptarme vor. Doch jetzt haben Astronomen erneut Indizien dafür entdeckt, dass unsere Heimatgalaxie doch vier Hauptarme besitzt. Massereiche Sterne sind eindeutig auf vier Regionen verteilt.
Die Struktur und Form der Milchstraße zu bestimmen, ist schwieriger als man glaubt. Denn weil wir Teil dieser Sternenansammlung sind, können wir sie nicht von außen betrachten. Von der Erde aus sehen wir sie nur als helles Band am Himmel, dieses wird von der Haupteben unserer Galaxie gebildet. Um herauszufinden, wie die Milchstraße von oben aussieht, müssen die Astronomen daher zu Hilfsmitteln greifen. Sie messen die Entfernung von Sternen und schließen daraus, wo diese am dichtesten stehen – und damit auch, wo sich die Arme der Balkenspirale befinden.
Erst vier, dann nur noch zwei
„Die Milchstraße ist unsere komische Heimat“, erklärt Koautor Melvin Hoare von der University of Leeds. „Wenn wir ihr Struktur studieren, gibt uns das eine einzigartige Gelegenheit zu verstehen, wie eine typischen Spiralgalaxie funktioniert – wo dort Sternen geboren und warum.“ Auf der Suche nach dieser Struktur kartierten in den 1950er Jahren Astronomen unsere galaktische Heimat mit Hilfe von Radioteleskopen. Anhand der Verteilung von Sternenwiegen schlossen sie, dass die Milchstraße vier Hauptarme besitzen muss.
Doch als das Spitzer-Weltraumteleskop im Jahr 2008 die Galaxie im Infrarotlicht kartierte, konnte es von zweien dieser Arme keine Spur entdeckten. Es hatte zwar 110 Millionen Sterne gefunden, aber nur zwei Arme. Fortan galt die Milchstraße als Balkenspirale mit nur zwei Hauptarmen. Doch Hoare, James Urquhart vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn und ihre Kollegen haben nun noch einmal die Sterne in unserer komischen Heimat kartiert. Sie nutzen dafür Radioteleskope in Australien, China und den USA, um die Entfernung und Helligkeit von 1.650 massereichen Sternen zu analysieren.
Massereiche Sterne in vier Portionen
Ihr Ergebnis: Es muss doch vier Hauptarme geben. „Es geht hier nicht darum, dass unsere Ergebnisse richtig sind und die von Spitzer falsch“, erklärt Hoare. „Beide Surveys haben nach ganz unterschiedlichen Dingen gesucht.“ Das Spitzer-Teleskop sieht nur die kühleren, masseärmeren Sternen wie unsere Sonne, die sehr viel häufiger sind als die massereichen, die die Forscher per Radioastronomie untersuchten. Doch die massereichen, aber sehr kurzlebigen Sterne haben eine Besonderheit: Sie kommen nur in den Hauptarmen der Galaxie vor und eignen sich daher gut als Anzeiger für diese.
„Massearme Sterne leben sehr viel länger und rotieren mehrfach um unsere Galaxie herum“, erklärt Hoare. „Dabei verteilen sie sich über die galaktische Scheibe.“ Ihre Verteilung zeigt daher sehr viel weniger deutlich, wo die Arme sitzen. Hinzu kommt, dass die beiden jetzt wiederentdeckten Arme offenbar eine weniger starke Schwerkraft besitzen und daher die Sterne weniger stark in ihnen zusammenhalten. Weil die massereichen Sterne mehr oder weniger am Ort ihrer Geburt bleiben, belegen sie aber, dass es vier Bereiche geben muss, in denen Staub und Gas die Produktion neuer Sterne ermöglichen.
Die Astronomen gehen daher davon aus, dass die Milchstraße doch vier Hauptarme besitzt, in denen jeweils aktive Sternenwiegen liegen. „Forscher, die wie ich die Sternenbildung untersuchen, sind mit der Vorstellung aufgewachsen, dass unsere Galaxie vier Arme hat“, sagt Hoare. „Es ist großartig, dass wir diese Vorstellung nun wieder neu bestätigen konnten.“ (Monthly Notices of the Royal Astronomical Society, 2013; doi: 10.1093/mnras/stt2006)
(Royal Astronomical Society (RAS), 17.12.2013 – NPO)