Astronomie

Milchstraße hat Millionen Grad heiße Gashülle

Röntgenteleskop eROSITA enthüllt Lage und Form des zirkumgalaktischen Mediums

Milchstraßen-Halo
Diese Aufnahme im weichen Röntgenlicht zeigt die westliche Hemisphäre der Milchstraße. Helle Bereiche markieren die Präsenz heißer, zirkumgalaktischer Gase. © J. Sanders/ MPE, eROSITA

Sehr heiß und extrem dünn: Unsere Milchstraße ist von einer unsichtbaren Hülle aus Millionen Grad heißen Gasen umgeben. Wo genau dieses zirkumgalaktische Medium beginnt und wie diese heiße, aber dünne Hülle unserer Galaxie entstand, haben nun Messdaten des Röntgenteleskops eROSITA verraten. Demnach beginnt dieses Gasreservoir schon in rund 10.000 Lichtjahren Entfernung und umgibt die galaktische Sternscheibe. Dies legt nahe, dass diese heißen Gase nicht von außen in die Galaxie aufgenommen wurden, sondern aus ihrem Inneren stammen, wie die Astronomen berichten.

Die Sternenscheibe der Milchstraße ist von einer ausgedehnten Hülle aus Gasen und Plasma umgeben – dem Halo. In ihm finden sich nur wenige Sterne, meist in Form von Kugelsternhaufen und Sternenströmen, dafür umso mehr Dunkle Materie und heiße Gase. Dieses Gasreservoir, auch zirkumgalaktisches Medium genannt, gilt als wichtiges Reservoir für die Sternbildung in Galaxien. Die genaue Form, Größe und Herkunft dieser Milchstraßenhülle sind jedoch unklar. Früheren Messdaten zufolge ist das Gas im zirkumgalaktischen Medium aber heißer und klumpiger als lange angenommen.

Röntgenlicht verrät zirkumgalaktisches Medium

Mehr Klarheit schaffen nun neue Daten des Röntgenteleskops eROSITA, die ein Team um Nicola Locatelli vom Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik in Garching ausgewertet hat. Das Weltraumteleskop ist speziell darauf ausgelegt, ein breites Spektrum an kosmischer Röntgenstrahlung einzufangen und abzubilden. Mit seiner Hilfe konnten die Astronomen die weiche Röntgenstrahlung des heißen zirkumgalaktischen Mediums kartieren und so dessen Form und Ausdehnung sichtbar machen.

„Die Karte zeigt nicht nur, dass um uns herum überall heißes Gas existiert, sondern liefert auch genügend Details, um seine Struktur viel genauer zu erforschen als je zuvor“, sagt Locatellis Kollege Xueying Zheng. Die neuen Daten bestätigen, dass das zirkumgalaktische Medium der Milchstraße mehr als eine Million Grad heiß ist, aber weniger als tausend Teilchen pro Kubikmeter enthält. Dennoch reichen die Röntgenemissionen aus, um die spektralen Emissionslinien hochionisierter Gase wie Sauerstoff, Kohlenstoff und Neon zu erkennen.

zirkumgalaktisches Medium
Der innere Teil des zirkumgalaktischen Mediums ist eher scheibenförmig als kugelig. © MPE

Scheibe statt Kugel

Die spektralen Signaturen dieser Gase ermöglichten es den Astronomen, die Verteilung des zirkumgalaktischen Mediums der Milchstraße erstmals genauer zu kartieren. Dabei zeigte sich: Anders als der gesamte Halo ist das heiße Gas nicht kugelförmig verteilt, sondern bildet eine flache Scheibe, die sich wie eine Hülle um die Sternenscheibe der Milchstraße schmiegt. Der Innenrand dieser heißen Hülle beginnt bereits weniger als 10.000 Lichtjahre von der Hauptebene der Sternenscheibe entfernt und erzeugt den größten Teil der weichen Röntgenstrahlung.

Damit liegt das zirkumgalaktische Medium näher an dem dicht von Sternen besetzten, sichtbaren Teil der Milchstraße als zuvor angenommen. Das liefert wichtige Informationen darüber, woher das heiße Gas dieser inneren Halo-Zone kommt. Gängiger Annahme nach ist ein Großteil dieser Teilchen extragalaktischen Ursprungs – sie stammen aus intergalaktischem Material, das von der Dunklen Materie des Halo und der Milchstraße angezogen und eingefangen wurde. Durch Kollisionen mit dem schon vorhandenen Gas und Schockwellen wird dieses Material komprimiert und heizt sich deshalb auf – so die Theorie.

Gase sind „hausgemacht“

Doch die neuen eROSITA-Daten sprechen gegen dieses Szenario. „Der größte Teil der beobachteten Emissionen wird im Abstand von weniger als 15.000 Lichtjahren von der Sonne freigesetzt“, berichten Locatelli und sein Team. Diese relative Nähe lege nahe, dass diese Gase ihren Ursprung innerhalb unserer Galaxie haben. „In diesem alternativen Szenario wird das superheiße Gas von Supernova-Explosionen in der Sternenscheibe erzeugt“, so die Astronomen.

Demnach ist das zirkumgalaktische Medium unserer Milchstraße quasi „hausgemacht“. Das Gasreservoir für neue Sternbildung wird damit zumindest zum großen Teil von den Sternen der Milchstraße selbst aufgefüllt – der Tod alter Sterne liefert das Rohmaterial für neue. (Astronomy & Astrophysics, accepted, arXiv-Preprint, doi: 10.48550/arXiv.2310.10715)

Quelle: Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik (MPE)

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