Mysteriöse Spektralsignatur: Im Zentrum der Milchstraße scheinen einige Sterne unerklärlich viel Scandium, Vanadium und Yttrium zu enthalten – das zeigten anomal starke Spektralsignaturen dieser Elemente. Jetzt aber enthüllen ergänzende Beobachtungen: Der vermeintliche Scandium-Überschuss beruht auf einer optischen Illusion – einem Störeffekt, der bei kühlen Sternen zu verdickten Linien dieser Elemente führt, wie die Astronomen berichten. Warum das so ist, bleibt aber vorerst unklar.
Obwohl die Milchstraße unsere Heimatgalaxie ist, kennen wir längst nicht alle ihre Geheimnisse. Gerade ihr von dichten Staubwolken verhülltes Zentrum ist bisher nur in Teilen erforscht. Zwar weiß man schon länger, dass es dort besonders viele alte Sterne gibt. Doch die Entdeckung gigantischer Gasblasen, einer seltsamen x-Struktur aus Sternen und eines Überschusses an Gammastrahlung im Milchstraßenzentrum überraschte auch die Astronomen.
Exotische Chemie im Milchstraßenzentrum?
Eine weitere Auffälligkeit haben Astronomen im letzten Jahr entdeckt: Bei der spektroskopischen Untersuchung von einiger Roter Riesen im Umfeld des galaktischen Zentrums zeigten die Spektren ungewöhnlich dicke und starke Linien für die Elemente Scandium, Vanadium und Yttrium an. „In einigen Fällen ergaben die Analysen eine zehnfach höhere Menge dieser Elemente als in unserer Sonne“, erklären Brian Thorsbro von der Universität Lund und seine Kollegen.
Doch diese Spektralsignaturen widersprachen dem, was Modelle für die Chemie und Physik in Roten Riesen vorhersagen. „Wenn sich die Werte bestätigen, wäre das eine chemische Signatur für die spezielle Umgebung des galaktischen Zentrums – und potenziell sehr bedeutend“, konstatieren die Astronomen. Denn das könnte bedeuten, dass Sterne dort mehr von diesen Metallen erzeugen als überall sonst in der Galaxie und dass die Bildung dieser Atome in ihrem Inneren möglicherweise anders abläuft als gedacht.
Was steckt dahinter?
Die große Frage ist daher, ob dieser rätselhafte Scandium-Überschuss real ist – oder vielleicht doch nur eine Folge von Störeffekten ist. „Denn neben der Häufigkeit eines Elements beeinflussen auch andere Parameter die Stärke einer Linie im Spektrum“, erklären die Forscher. Gerade bei Nahinfraroten Wellenlängen spiele auch die Anregung der Atome und damit die Temperatur eine Rolle.
Könnte dies hinter den anomal starken Signaturen von Scandium und Co stecken? Um das zu überprüfen, haben Thorsbro und sein Team die Elementspektren und Temperaturen von sieben sonnennahen Roten Riesen mithilfe eines Spektrometers am Keck-Observatorium auf Hawaii ermittelt. Diese Werte verglichen sie mit denen der bereits bekannten aus dem Milchstraßenzentrum.
Temperatur statt Position
Das überraschende Ergebnis: Einige der sonnennahen Roten Riesen wiesen einen genauso auffallenden Scandium-Überschuss auf wie ihre „Artgenossen“ im galaktischen Zentrum. Statt der Position der Sternenriesen schien dabei die ihre Temperatur der entscheidende Faktor zu sein: „Die Diagramme scheinen zu belegen, dass die Scandiummenge einfach mit Abnahme der Temperatur immer höher wird“, berichten die Forscher.
Merkwürdig nur: „Es gibt keine astrophysikalische Basis für eine solche Temperaturabhängigkeit der Scandiummenge in einem Stern“, betonen Thorsbro und seine Kollegen. „Wir können daher ziemlich sicher davon ausgehen, dass hinter diesen Spektren etwas anderes steckt als ein echter Scandium-Überschuss.“
Störeffekt statt Elementmenge
Nach Ansicht der Astronomen sind die ungewöhnlich stark ausgeprägten Linien von Scandium, Vanadium und Yttrium eine Art optische Illusion – ein Störeffekt, der unterhalb von 3.600 Kelvin Sternentemperatur zur Bildung besonders dicker und möglicherweise überlagerter Spektrallinien führt. „Diese starken Linien sind demnach eine inhärente Eigenschaft des Linienbildungsprozesses unter diesen Bedingungen“, so Thorsbro und seine Kollegen.
Wie genau diese spektrale Täuschung zustande kommt und warum, ist allerdings bisher auch den Astronomen noch unklar. „Diese Linien sollten daher nicht zur Abschätzung der Scandiummenge bei kühlen Sternen genutzt, bis wir besser verstehen, wie diese Linien gebildet werden“, konstatieren sie. (The Astrophysical Journal, 2018; doi: 10.3847/1538-4357/aadb97)
(Lund University, 11.10.2018 – NPO)