Astronomie

Milchstraße: „Rasersterne“ sind Ausreißer

Hyperschnellläufer könnten aus benachbarter Galaxie stammen

Hubble-Aufnahme eines superschnellen Sterns in der Milchstraße. Die schnellsten von ihnen lassne sich nicht einmal von der Gravitation der Milchstraße einfangen. © NASA, ESA, and R. Sahai (NASA's Jet Propulsion Laboratory)

Mysteriöse Ausreißer: Was macht einige Sterne so schnell, dass selbst die Milchstraße sie nicht halten kann? Diese Frage könnten Astronomen jetzt geklärt haben. Demnach stammen diese Hyperschnellläufer gar nicht aus der Milchstraße, sondern aus der Großen Magellanschen Wolke. Erst deren Eigenbewegung, kombiniert mit einer Supernova-Explosion, verlieh diesen Ausreißern doppelten Schub – und machte sie zu den schnellsten Rasern unserer Galaxie.

Sie sind die „Raser“ der Milchstraße: Sogenannte Hyperschnellläufer haben ein so hohes Tempo, dass sie selbst die Gravitation der Milchstraße nicht festhalten kann. Diese meist bläulich leuchtenden Riesensterne rasen dadurch quer durch die Galaxie, ohne auf eine Kreisbahn um ihr Zentrum einzuschwenken. Rätselhaft ist jedoch, was diese Sterne so enorm beschleunigt hat.

Einige dieser Hyperschnellläufer könnten durch das supermassereiche Schwarze Loch im Zentrum der Milchstraße aus ihrer Position katapultiert worden sein. Andere brachte wahrscheinlich eine Supernova in einem Doppelsternsystem auf Touren.

Rätselhafte Ausreißer

Doch es gibt einige Hyperschnellläufer, deren Verhalten und Flugbahn zu keiner dieser beiden Szenarien passt, darunter sogar ein rasender Doppelstern. Viele dieser Blauen Riesen finden sich im Außenbereich der Milchstraße. Deshalb spekulieren Astronomen schon länger darüber, ob diese „Rasersterne“ möglicherweise Ausreißer einer benachbarten Zwerggalaxie der Milchstraße sein könnten.

„Die meisten dieser Hyperschnellläufer finden sich in den Sternbildern Löwe und Sextant – und wir wollten wissen, warum das so ist“, erklärt Erstautor Douglas Boubert von der University of Cambridge. Er und seine Kollegen überprüften deshalb anhand von Beobachtungsdaten und Computersimulationen, ob diese Sterne aus der Großen Magellanschen Wolke stammen könnten, einer die Milchstraße umkreisenden Zwerggalaxie.

Die Große Magellansche Wolke - ist sie die ursprüngliche Heimat der Hyperschnellläufer? © NASA/Ames

„Vom Expresszug gesprungen“

Das Ergebnis: Viele Hyperschnellläufer könnten tatsächlich Ausreißer aus der Großen Magellanschen Wolke sein. Eine Supernova in einem dortigen Doppelsternsystem könnte die Sterne aus der Zwerggalaxie heraus in Richtung der Milchstraße katapultiert haben. Weil die Große Magellansche Wolke mit rund 400 Kilometern pro Sekunde um die Milchstraße kreist, gab ihre Eigenbewegung den Ausreißern dabei zusätzlichen Schub.

„Diese Sterne sind sozusagen gerade von einem Expresszug abgesprungen – kein Wunder, dass sie so schnell sind“, erklärt Koautor Rob Izzard von der University of Cambridge. Die Sterne, die in Flugrichtung der Zwerggalaxie hinausflogen, bekamen durch den doppelten Schwung so viel Tempo, dass sie zu Hyperschnellläufern wurden. „Dieses Szenario könnte auch ihre Position am Himmel erklären“, sagt Izzard. „Denn die schnellsten Ausreißer werden entlang des Orbits der Großen Magellanschen Wolke weggeschleudert und damit genau in Richtung der Konstellationen Löwe und Sextant.“

10.000 Ausreißer in der Milchstraße?

Und noch etwas enthüllte die Simulation: Insgesamt könnte die Milchstraße deutlich mehr „Ausreißer“ aus der Nachbargalaxie beherbergen als bislang angenommen. „Wir prognostizieren, dass es in unserer Galaxie verteilt rund 10.000 Ausreißer gibt“, sagt Boubert. Etwa die Hälfte dieser noch unentdeckten Neuankömmlinge sei schnell genug, um ein Hyperschnellläufer zu sein, schätzen die Astronomen.

Spannend auch: Viele der aus der Großen Magellanschen Wolke herauskatapultierten Sterne haben inzwischen längst ihren Lebenszyklus vollendet – und sich in Neutronensterne und stellare Schwarze Löcher verwandelt. Das könnte bedeuten, dass in der Milchstraße nicht nur Tausende von Sternen aus unserer Nachbargalaxie umherfliegen, sondern auch eine Million „eingewanderter“ Neutronensterne und Schwarze Löcher.

ESA-Satelliten könnte Bestätigung bringen

„Ob wir mit diesem Szenario richtig liegen, könnten wir schon bald herausfinden“, sagt Boubert. „Denn der Satellit Gaia der Europäischen Weltraumagentur ESA wird schon im nächsten Jahr neue Daten zu Milliarden Sternen liefern.“ Stimmt die Theorie der Astronomen, dann müsste auch ein ganzer Schweif von neuentdeckten Hyperschnellläufern zwischen der Großen Magellanschen Wolke und den Konstellationen Löwe und Sextant darunter sein. (Monthly Notices of the Royal Astronomical Society, 2017; doi: 10.1093/mnras/stex848)

(Royal Astronomical Society (RAS), 05.07.2017 – NPO)

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