Astronomie

Milchstraße: Schwarzes Loch noch vor 200 Jahren aktiv

Starker Strahlenausbruch ließ Sagittarius A* kurzzeitig eine Million Mal heller werden

Röntgenechos im Milchstraßenzentrum
Diese hellen Flecken im Zentrum der Milchstraße entstehen durch reflektierte Röntgenstrahlung. Woher diese stammt, haben Astronomen nun herausgefunden. © NASA/CXC/SAO/IXPE

Nicht lange her: Vor rund 200 Jahren strahlte das zentrale Schwarze Loch der Milchstraße plötzlich hell auf – von uns aus gesehen leuchtete es zu dieser Zeit eine Million Mal heller als heute. Dieser letzte größere Ausbruch von Sagittarius A* hielt rund eineinhalb Jahre an und setzte dabei ähnlich viel Energie frei wie ein aktiver Galaxienkern vom Typ der Seyfertgalaxien, wie Astronomen in „Nature“ berichten. Sie haben das Nachleuchten dieses Ausbruchs anhand von polarisierten Röntgenechos im Milchstraßenzentrum entdeckt.

Heute ist das zentrale Schwarze Loch der Milchstraße eher ruhig und träge. Anders als aktive Galaxienkerne verschlingt Sagittarius A* kaum Materie. Doch das war nicht immer so: Vor rund 3,5 Millionen Jahren verursachte der Sturz einer großen Gaswolke ins Schwarze Loch eine heftige Explosion, die am Nachthimmel sichtbar war und eine Million Jahre lang angehalten haben könnte. Auch die gigantischen Fermi-Blasen im Milchstraßenzentrum entstanden wahrscheinlich zu dieser Zeit.

IXPE-Aufnahme
Diese Aufnahme des IXPE-Röntgensatelliten zeigt die Röntgenechos des im obigen Bild markierten Ausschnitts. Streuung und Polarisation dieser Röntgenstrahlung deuten auf Sagittarius A* als Urheber hin. © NASA/CXC/SAO/IXPE

Röntgenechos als Zeugen

Doch wie sich nun zeigt, war das Schwarze Loch auch in der Neuzeit noch einmal aktiv – vor nur 200 Jahren. Entdeckt haben dies Astronomen um Frédéric Marin von der Universität Straßburg, als sie das Milchstraßenzentrum mit dem NASA-Röntgensatelliten IXPE (Imaging X-ray Polarimetry Explorer) beobachteten. Im Umfeld von Sagittarius A* liegen dort mehrere Molekülwolken, die auffällig viel gestreute Röntgenstrahlung reflektieren.

Um herauszufinden, woher diese reflektierte Strahlung ursprünglich kam, analysierten die Astronomen Streuwinkel und Polarisation dieser Röntgenechos. Letztere kann wie eine Art Kompass verraten, in welcher Richtung die Strahlungsquelle liegt. Das Ausmaß der Streuung liefert Hinweise auf Entfernung und Alter der Strahlung. „Damit eröffnet die Röntgen-Reflexion des Gases im Milchstraßenzentrum einen Weg, um die vergangene Aktivität von Sagittarius A* über hunderte bis tausende Jahre zurückzuverfolgen“, erklären die Forschenden.

Schwarzes Loch als Urheber

Die Analysen ergaben: Die von den Gaswolken zurückgeworfene Röntgenstrahlung ist zu rund einem Drittel polarisiert und zeigt eine um -48 Grad gekippte Schwingungsrichtung. „Der gemessene Polarisationswinkel passt damit zu der Hypothese, dass Sagittarius A* die primäre Quelle dieser Strahlung ist“, berichten Marin und sein Team. Das legt nahe, dass diese Röntgenechos von einem heftigen Strahlenausbruch am supermassereichen Schwarzen Loch stammen.

„Unsere Studie liefert damit das fehlende Puzzlestück in der Frage, woher das intensive Röntgenlicht dieser riesigen molekularen Wolken kommt“, schreiben die Astronomen. „Sie sind die Reflexion eines intensiven aber kurzlebigen Flares, der von Sagittarius A* oder seinem nahen Umfeld ausging.“ Doch wann ereignete sich dieser Ausbruch? Aus der Streuung des Röntgenechos ermittelten die Astronomen, dass der Strahlenausbruch nicht länger als rund 200 Jahre zurückliegen kann.

Energiefreisetzung wie ein aktiver Galaxienkern

Der letzte große Ausbruch des zentralen Schwarzen Loch könnte sich demnach – von uns aus gesehen –  um das Jahr 1800 herum ereignet haben. Über rund eineinhalb Jahre hinweg strahlte Sagittarius A* dabei im Röntgenbereich rund eine Million Mal heller als heute. Die Astronomen vergleichen dies mit einem Glühwürmchen, das plötzlich so hell aufstrahlt wie die Sonne. Ihren Berechnungen zufolge setzte der Ausbruch im Röntgenbereich eine Energie von 1039 bis 1044 Erg pro Sekunde frei.

„Diese Energiemenge ist mit der Röntgenhelligkeit einer Seyfertgalaxie vergleichbar“, konstatieren die Astronomen. Bei solchen Seyfertgalaxien verschlingen die Schwarzen Löcher aktiv Materie, geben dabei aber weniger Energie und Strahlung ab als andere aktive Galaxienkerne (AGN) wie beispielsweise Quasare und Blazare. Dennoch bedeutet dies, dass die Milchstraße noch vor 200 Jahren zur Gruppe der Galaxien mit einem aktiven Kern gehörte – wenn auch nur für eine kurze Zeit. (Nature, 2023; doi: 10.1038/s41586-023-06064-x)

Quelle: CNRS

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