Frühe Dominanz: Schon rund eine Milliarde Jahre nach dem Urknall gab es überraschend viele Milchstraßen-ähnliche Scheibengalaxien im Kosmos – sie machten schon damals 40 bis 60 Prozent der sternenreichen Galaxien aus, wie nun Daten des James-Webb-Teleskops belegen. Dies widerspricht gängigen Modellen, nach denen damals zunächst elliptische und unregelmäßige Galaxien vorherrschten, bevor sich dann viel später auch reifere Spiralgalaxien bildeten. Bisherige Annahmen zur Galaxienentwicklung müssen nun revidiert werden, so die Astronomen.
Schon im Jahr 1926 stellte der Astronom Edwin Hubble einen ersten „Stammbaum“ der Galaxien zusammen. Demzufolge entwickelten sich die Spiralgalaxien und Balkenspiralen des heutigen Kosmos aus frühen Vorstufen, die noch unregelmäßig oder elliptisch geformt waren und die noch keine ausgeprägte Sternenscheibe besaßen. Erst einige Milliarden Jahre später entstanden dann aus diesen Vorstufen die ersten Galaxien mit strukturierter Sternenscheibe – die Linsen- und Spiralgalaxien oder die Balkenspiralen.

Blick zurück ins frühe Universum
„Gängiger Annahme nach waren solche Scheibengalaxien wegen der vielen heftigen Kollisionen im frühen Universum noch selten“, erklärt Erstautor Leonardo Ferreira von der University of Victoria in Kanada. Dazu schien zu passen, das auch das Hubble-Weltraumteleskop in seinen Deep-Field-Aufnahmen unter den entferntesten Galaxien vorwiegend unregelmäßige Exemplare zeigte. Erst rund sechs Milliarden Jahre nach dem Urknall – so legten diese Aufnahmen nahe – begannen dann sich dann auch Scheibengalaxien zu entwickeln.
Allerdings: Das Hubble-Teleskop verfügt nur über begrenzte Sensitivität im roten und infraroten Bereich, seine Optiken sind primär für sichtbares und ultraviolettes Licht ausgelegt. Dadurch kann das Teleskop das stark in den roten Bereich verschobene Licht sehr ferner Galaxien nicht detektieren. Das ist mit dem James-Web-Teleskop anders: „Die höhere Auflösung und der längerwelligere Aufnahmebereich ermöglichen es ihm, die Struktur ferner Galaxien besser zu erfassen“, erklären Ferreira und seine Kollegen.