Endlich gefunden: Astronomen haben den bisher überzeugendsten Beleg für ein intermediäres Schwarzes Loch entdeckt – die lange gesuchte Zwischenform von stellaren und supermassereichen Schwarzen Löchern. Aufgespürt haben sie dieses „Missing Link“ im rund 17.000 Lichtjahre entfernten Kugelsternhaufen Omega Centauri. Um dessen Zentrum rasende Sterne verraten, dass sich dort ein Objekt von mindestens 8.200 Sonnenmassen verbergen muss – ein intermediäres Schwarzes Loch, wie das Team in „Nature“ berichtet.
Gängiger Theorie nach kommen Schwarze Löcher in drei Größenklassen vor: Die kleinsten entstehen durch Supernovae massereicher Sterne, die größten sind dagegen Millionen bis Milliarden Sonnenmassen schwer und liegen im Zentrum von Galaxien. Doch dazwischen muss es noch eine dritte Klasse geben: intermediäre Schwarze Löcher mit rund 100 bis 100.000 Sonnenmassen. Sie gelten als mögliche Vorstufen der supermassereichen Schwerkraftgiganten in den Galaxienzentren und als mögliches Resultat serieller Verschmelzungen stellarer Schwarzer Löcher. Sie wären damit ein Bindeglied zwischen den beiden Extremen.
Das Problem jedoch: Bisher haben Astronomen nur eine Handvoll möglicher Kandidaten für solche intermediären Schwarzen Löcher aufgespürt. Dadurch bleibt unklar, wo sie sich verbergen, wie sie entstanden sind und wie viele es von ihnen gibt.
Größter Kugelsternhaufen der Milchstraße im Visier
Jetzt könnten Astronomen eines dieser lange gesuchten Objekte aufgespürt haben – verborgen im Zentrum des Kugelsternhaufens Omega Centauri. Diese Ansammlung von rund zehn Millionen Sternen liegt rund 17.000 Lichtjahre von uns entfernt und ist der hellste und mit Abstand massereichste Kugelsternhaufen in unserer Milchstraße. Er ist am Südhimmel schon mit bloßem Auge als verwaschener kleiner Fleck am Nachthimmel zu erkennen
„Omega Centauri ist ein Sonderfall unter den Kugelsternhaufen der Milchstraße“, erklären Maximilian Häberle vom Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg und seine Kollegen. Denn der Sternhaufen gilt als Relikt einer größeren Zwerggalaxie, die vor rund zehn Milliarden Jahren mit unserer Milchstraße kollidierte und von ihr zerrissen und vereinnahmt wurde. Omega Centauri könnte der Überrest des einstigen Zentrums dieser Galaxie sein – und damit vielleicht das nicht ausgewachsene und daher nur mittelschwere Schwarze Loch dieser Galaxie in sich bergen – so jedenfalls der Verdacht.
Allerdings konnte bisherige Beobachtungen keine eindeutigen Hinweise auf ein aktives, Materie verschlingendes Schwarzes Loch im Zentrum von Omega Centauri finden. Zudem liegen die Sterne im inneren Bereich des Kugelsternhaufens so dicht beieinander, dass man kaum zwischen ihnen hindurchblicken kann.
„Rasersterne“ als Fahndungshelfer
Häberle und sein Team wählten daher einen anderen Ansatz: Sie suchten im Zentrum von Omega Centauri nach Sternen, die sich schneller bewegen als sie eigentlich dürften. Solche „Rasersterne“ haben Astronomen bereits die Existenz von Sagittarius A* verraten, dem zentralen supermassereichen Schwarzen Loch unserer Milchstraße. Für ihre Fahndung im Kugelsternhaufen werteten die Astronomen mehr als 500 Archivbilder des Hubble-Weltraumteleskops aus, die dieses – teilweise nur zu Kalibrierungszwecken – von Omega Centauri erstellt hatte.
„Die Suche nach schnellen Sternen und die Dokumentation ihrer Bewegung war die sprichwörtliche Suche nach der Nadel im Heuhaufen“, sagt Häberle. Mithilfe ausgefeilter Analysen ermittelten er und sein Team die Bahnen und Geschwindigkeiten von insgesamt 1,4 Millionen Sternen – es handelt sich um den bisher vollständigste Katalog der Sternbewegung in Omega Centauri.
Zu schnell für ihren Haufen
Das Entscheidende jedoch: Die Astronomen entdeckten mehrere Sterne im Zentrum des Kugelsternhaufens, die sich weit schneller bewegten als sie dürften. „Im Bereich von rund drei Bogenminuten um das Zentrum fanden wir sieben Sterne mit einer Geschwindigkeit von mehr als 2,41 Millibogensekunden pro Jahr“, berichten die Astronomen. Damit überschreitet das Tempo dieser Sterne die Fluchtgeschwindigkeit an dieser Position – sie müssten sich längst aus dem Kugelsternhaufen herauskatapultiert haben.
„Die Präsenz von sieben zentralen Sternen, die sich schneller bewegen als die Fluchtgeschwindigkeit des Haufens kann nur dadurch erklärt werden, dass sie an ein massereiches Objekt nahe des Haufenzentrums gebunden sind“, erklären Häberle und seine Kollegen. Um die Sterne trotz ihres hohen Tempos festzuhalten, wäre ihren Berechnungen zufolge ein Objekt von mindestens 8.200 Sonnenmassen nötig. Die engen Bahnen der Sterne schließen zudem aus, dass sie von einer Gruppe stellarer Schwarzer Löcher festgehalten werden – dafür wäre schlicht zu wenig Platz.
„Dies macht ein intermediäres Schwarzes Loch zur einzig plausiblen Lösung“, konstatieren die Astronomen. Diese wäre dann das uns am nächstgelegene Schwarze Loch mit mehr als stellarer Masse.
„Der bisher beste Beweis“
Nach Ansicht von Häberle und seinem Team liefern ihre Daten damit die Bestätigung, dass Omega Centauri tatsächlich ein intermediäres Schwarzes Loch enthält. „Bei früheren Studien der Zentralregion von Omega Centauri konnte man jeweils kritisch nachfragen: Wo sind denn die Hochgeschwindigkeitssterne? Jetzt haben wir die Antwort, und die Bestätigung, dass Omega Centauri tatsächlich ein mittelgroßes Schwarzes Loch enthält“, sagt Häberles Kollegin Nadine Neumayer.
Ähnlich sehen es auch nicht an der Studie beteiligte Astronomen: „Die neu entdeckten Sterne liefern den bisher besten Beweis dafür, dass Omega Centauri ein intermediäres Schwarzes Loch beherbergt“, schreiben Daryl Haggard von der McGill University und Adrienne Cool von der University of California in San Francisco in einem begleitenden Kommentar in „Nature“. Gleichzeitig ist dies auch der bislang überzeugendste Beleg für ein solches „Missing Link“ der Schwarzen Löcher überhaupt.
Um herauszufinden, wie schwer und groß das Schwarze Loch in Omega Centauri tatsächlich ist, planen Häberle und sein Team bereits weitere Beobachtungen, unter anderem mit dem James-Webb-Weltraumteleskop. Dessen hochauflösende Infrarotspektrometer könnten dabei helfen, die Bewegungen der Rasersterne im Zentrum von Omega Centauri noch besser einzugrenzen und so die genaue Position und Masse des Schwarzen Lochs verraten. (Nature, 2024; doi: 10.1038/s41586-024-07511-z)
Quelle: Nature, Max-Planck-Institut für Astronomie