Wasser für künftige Mond-Missionen: Auf dem Mond gibt es mehr Wasser als bislang gedacht. Denn Wassereis kommt nicht nur in großen Polarkratern vor, sondern auch in unzähligen kleinen Schattenzonen auf gut 40.000 Quadratkilometer Gesamtfläche, wie Forscher in „Nature Astronomy“ berichten. Zudem liegt ein Teil des im Gestein gebundenen Wassers statt als Hydroxyl (OH) als molekulares Wasser (H2O) vor.
Schon länger ist klar, dass der Mond weniger trocken ist, als man lange dachte. Denn Daten von Raumsonden belegen, dass es in den tiefen, dauerhaft beschatteten Kratern der Polargebiete und möglicherweise auch in einigen Lavahöhlen meterdicke Wassereisvorkommen gibt. Im lunaren Regolith ist zudem Wasser in Form von Hydroxyl (OH) gebunden – und dies möglicherweise sogar auf der Tagseite.
H2O statt nur OH
Für künftige Mondmissionen wäre es allerdings günstiger, wenn es auch leichter zugängliches, weiter verteiltes Wassereis gäbe und wenn das gebundene Wasser im Mondgestein in Form molekularen Wassers (H2O) vorläge. Und genau das scheint der Fall zu sein, wie nun zwei Forscherteams herausgefunden haben. Für die Pläne, demnächst wieder Astronauten zum Mond zu schicken und sogar Mondstationen zu errichten, sind das gute Aussichten.
Die erste gute Nachricht kommt vom Flugzeugteleskop SOFIA (Stratospheric Observatory for Infrared Astronomy). Mit diesem hatten Casey Honniball von der University of Hawaii in Manoa und ihr Team die lunare Oberfläche nach Infrarotstrahlung im Bereich von sechs Mikrometer Wellenlänge abgetastet. „Eine fundamentale Vibration des Wassermoleküls erzeugt bei sechs Mikrometern eine Spektralsignatur, die von keiner anderen Hydroxyl-Verbindung geteilt wird“, erklären die Forscher. Dadurch lässt sich molekulares Wasser vom OH-Molekül unterscheiden.
Eine Getränkedose Wasser auf einem Fußballfeld verteilt
Es zeigte sich: In den polaren Breiten gibt die Mondoberfläche tatsächlich Infrarotstrahlung im Bereich von sechs Mikrometer Wellenlänge ab. „Auf Basis unserer Vergleiche schreiben wir dieses Signal der Präsenz von molekularem Wasser zu“, berichten Honnibal und ihre Kollegen. Ihren Berechnungen zufolge könnte der lunare Regolith in den hohen Breiten rund 100 bis 400 Mikrogramm H2O pro Gramm Gesteinsmaterial enthalten.
„Die Menge an Wasser, die SOFIA entdeckt hat, entspricht etwa dem Inhalt einer 0,33 Liter Getränke-Dose, verteilt über die Oberfläche eines Fußballfeldes“, erklärt Koautorin Alessandra Roy vom Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR). „Der Mond bleibt damit trockener als die Wüsten auf der Erde, aber die gefundene Wassermenge könnte immer noch wichtig für zukünftige astronautische Weltraumissionen werden.“
Im Regolith versteckt
Rätselhaft jedoch: Wie konnte sich dieses molekulare Wasser auf dem Mond halten? „Ohne eine dichte Atmosphäre müsste Wasser auf der sonnenbeschienenen Mondoberfläche ins All verloren gehen“, sagt Honniball. Denn die Oberfläche heizt sich tagsüber bis auf 120 Grad auf. Weil sie zudem der solaren und kosmischen Strahlung ungeschützt ausgesetzt ist, müssten Wassermoleküle relativ schnell photochemisch zersetzt werden.
„Aber wir sehen es trotzdem“, so Honniball. „Irgendetwas muss daher dieses Wasser erzeugen und es muss irgendwo gefangen sein.“ Die Forscher vermuten, dass die H2O-Moleküle in den Körnchen des Regoliths oder in kleinen, vor harter Strahlung geschützten Gesteinsporen versteckt sind. Die von SOFIA gesammelten Daten stützen dies.
Wassereis in Kältefallen
Doch das ist nicht die einzige Wasserquelle auf dem Mond: Auch Wassereis könnte viel reichlicher vorhanden sein als bislang angenommen, wie Paul Hayne von der University of Colorado in Boulder und sein Team herausgefunden haben. Sie hatten untersucht, wo und wie häufig es auf dem Mond dauerhaft beschattete Zonen gibt, die als Kältefallen wirken – und in denen sich Wassereis längere Zeit und auch während des lunaren Tages halten könnte.
Um das zu klären, haben Hayne und sein Team mithilfe von Daten der NASA-Raumsonde Lunar Reconnaissance Orbiter (LRO) ein detailliertes Modell der lunaren Topografie und der dort vorkommenden Temperaturen erstellt. Daraus ermittelten sie, wie viele potenziell eishaltige Kältefallen es in den Größenbereichen von einem Kilometer bis zu einem Zentimeter auf dem Mond gibt.
Wassereis verteilt über 40.000 Quadratkilometer
Das Ergebnis: 0,15 Prozent der Mondoberfläche liegt permanent im Schatten – verteilt auf unzählige kleinere und einige größere Schattenzonen in den höheren Breiten des Erdtrabanten. Von diesen könnten rund zwei Drittel kalt genug sein, um Eisvorkommen zu bergen. Insgesamt könnten damit rund 40.000 Quadratkilometer der Mondoberfläche von solchen Kältefallen bedeckt sein – das ist gut doppelt so viel wie zuvor angenommen.
„Wenn wir damit richtig liegen, dann könnte Wasser für künftige Mondmissionen weit zugänglicher sein als gedacht“, sagt Hayne. „Astronauten müssten dann nicht in die dunklen, tiefen Kraterschatten hinabsteigen, sondern könnten einfach umherlaufen und Schattenzonen suchen, die einen Meter groß sind – dort könnte Eis genauso wahrscheinlich sein.“ (Nature Astronomy, 2020; doi: 10.1038/s41550-020-01222-x; doi: 10.1038/s41550-020-1198-9)
Quelle: NASA, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), University of Colorado Boulder