Himmlischer Transfer: Auf dem Mond könnte es Wasser geben, das ursprünglich aus der Erdatmosphäre stammt. Denn irdische Sauerstoff- und Wasserstoffionen werden vom Magnetschweif bis zur Mondbahn ins All hinausgetragen. Wenn dann der Mond bei Vollmond durch den Magnetschweif wandert, regnen diese wasserbildenden Ionen auf ihn hinab. Immerhin rund 3.000 Kubikkilometer lunares Wassereis könnten auf diese Weise entstanden sein, wie Forscher berichten.
Der Erdmond erscheint trocken und tot, aber auch auf ihm gibt es Wasser. Ein Teil davon ist im Gestein gebunden, der Rest liegt in den lunaren Polargebieten als Wassereis vor. Planetenforscher gehen davon aus, dass ein Großteil dieses Wassers durch eisreiche Meteoriten auf den Erdtrabanten gebracht wurde. In den dauerhaft im Schatten liegenden Kraterbereichen konnte es sich dann im Laufe der Jahrmillionen anreichern. Aber auch der Sonnenwind könnte zumindest zeitweise Wassermoleküle entstehen lassen.
Magnetschweif als Ionenquelle
Doch es gibt offenbar noch eine dritte Wasserquelle für den Mond, wie nun Gunther Kletetschka von der Karlsuniversität Prag und seine Kollegen berichten. Sie haben untersucht, was passiert, wenn der Mond auf seiner Bahn um die Erde durch den irdischen Magnetschweif wandert. Frühere Studien hatten bereits festgestellt, dass diese monatliche, rund fünf Tage dauernde Passage die Mondoberfläche statisch auflädt und sogar Mondstaub zum Schweben bringen kann.
Der irdische Magnetschweif enthält jedoch auch Ionen, die durch die Interaktion des Sonnenwinds mit dem Erdmagnetfeld aus der oberen Erdatmosphäre mitgerissen wurden. Wenn nun der Mond durch den geladenen Plasmaschweif der Erde wandert, führt dies zu Turbulenzen, wie Kletetschkas Team anhand eines Modells ermittelte. Dadurch schließen sich einige Magnetfeldlinien kurz und Wasserstoff- und Sauerstoff-Ionen werden teilweise Richtung Mond geschleudert.
„Die Flussdichte der terrestrischen Ionen während der lunaren Passage durch den irdischen Magnetschweif wurde auf 21.000 bis 26.000 Ionen pro Quadratzentimeter und Sekunde geschätzt“, berichten die Forscher.
Ionendusche für die Mondoberfläche
Durch diesen Ioneneinstrom ist die Mondoberfläche in den Tagen um den Vollmond herum nicht nur buchstäblich geladen, sie bekommt auch eine frische Dosis Wasserstoff und Sauerstoff – und damit Bausteine für neue Wassermoleküle. „Es ist wie eine Dusche für den Mond – eine Dusche von potenziell wasserbildenden Ionen, die auf die Mondoberfläche treffen“, sagt Kletetschka. Auf der Mondoberfläche verbinden sich einige dieser Ionen zu Wassermolekülen.
Ein Großteil dieser Wassermoleküle wird sofort wieder vom Sonnenwind zerstört oder ins All hinaus gerissen. Doch an den Polen gefriert das Wasser aus und bildet eine Art Permafrost, wie das Team erklärt. Diese mikroskopisch dünne Wassereisschicht kann dann durch die Einschläge von Mikrometeoriten mit Mondstaub vermischt und unter die Oberfläche gebracht werden. Dort ist dieses Wassereis dann weitgehend geschützt und kann erhalten bleiben.
3.500 Kubikkilometer irdisches Wasser auf dem Mond
„Wenn wir davon ausgehen, dass dieser Prozess schon seit rund 3,5 Milliarden Jahren anhält, dann könnten sich im Laufe dieser Zeit rund 3.500 Kubikkilometer an Wasser irdischen Ursprungs in den Poren des lunaren Regoliths angesammelt haben“, schreiben Kletetschka und sein Team. Das entspricht etwa dem Wasservolumen des Huronsees, dem zweitgrößten der Großen Seen in Nordamerika.
Dieses Porenwasser in den lunaren Polargebieten könnte die Wassermengen ergänzen, die als sichtbare Wassereisvorkommen in den polaren Kratern liegen. In einer ergänzenden Auswertung von lunaren Schwerefeldmessungen identifizierten die Wissenschaftler Regionen um den Nord- und Südpol des Mondes, deren Messdaten mit einem solchen Porenwasser-Vorkommen übereinstimmen. „Es ist daher wahrscheinlich, dass diese Regionen signifikante Mengen an Wasser enthalten“, berichtet das Team.
Relevant ist dies vor allem für künftige bemannte Mondmissionen und Mondstationen. „Die NASA plant im Rahmen ihrer Mondmissionen, ein Basiscamp am Südpol des Mondes zu installieren“, sagt Kletetschka. „Die Wasserionen, die vor langer Zeit einmal von der Erde kamen, könnten dann wieder für die Lebenserhaltungssysteme der Astronauten genutzt werden.“ (Scientific Reports, 2022; doi: 10.1038/s41598-022-08305-x)
Quelle: University of Alaska Fairbanks