Von wegen uralt: Das Wassereis in den polaren Mondkratern ist vermutlich weit jünger als angenommen. Statt Millionen oder gar Milliarden Jahren sind die Eisvorkommen wahrscheinlich nur wenige tausend Jahre alt, wie Forscher ermittelt haben. Denn durch Einschläge von Mikrometeoriten werden ständig Wassermoleküle aus dem Kratergrund herausgeschleudert, gleichzeitig kommt frisches Wasser dazu. Für künftige Mondmissionen könnte das ein Vorteil sein.
Der Erdmond galt lange als extrem trocken. Doch inzwischen belegen Messungen von Mondsonden und Analysen von Gesteinsproben der Apollo-Missionen, dass es auch auf dem Mond Wasser gibt. Ein Teil davon liegt gebunden im Mondgestein vor, es gibt aber auch Wassereis in den Kratern der lunaren Polargebiete. Deren Grund liegt das ganze Jahr hindurch in tiefem Schatten und wirkt daher als eine Art Kältefalle für Wassermoleküle. Dadurch könnten sich in manchen Kratern meterdicke Eisschichten angesammelt haben.
Uralte Vorräte?
Doch wie beständig sind diese Wassereis-Vorräte? Gängiger Theorie nach ist es am Grund der Mondkrater so kalt, dass einmal abgesetztes Wassereis dort fast unbegrenzt lange erhalten bleibt. Der extreme Frost von weniger als minus 200 Grad sorgt dafür, dass die Wassermoleküle weder schmelzen noch verdampfen können. Das Eis in diesen Polkratern könnte daher schon Millionen bis Milliarden Jahre alt sein – so jedenfalls dachte man bisher.
Eine neue Studie weckt nun jedoch Zweifel an diesem Uralt-Eis. Denn die polaren Mondkrater sind zwar kalt, aber nicht völlig isoliert. „Ihre Oberfläche wird von Teilchen des Sonnenwinds und von Meteoroiden getroffen – und das kann Reaktionen fördern, die normalerweise erst bei höheren Oberflächentemperaturen auftreten“, erklärt William Farrell vom Goddard Space Flight Center der NASA in Greenbelt.
Bombardiert von Sonnenwind und Meteoriten
Welche Folgen dieses Bombardement für das lunare Kratereis hat, haben Farrell und seine Kollegen jetzt in einer Modellsimulation genauer untersucht. Dabei zeigte sich, dass allein schon der Sonnenwind dafür sorgt, dass immer wieder Wassermoleküle aus dem Mondeis herausgesprengt werden. Noch mehr Wasser vermischt mit Mondstaub könnte beim Einschlag von kleinen Meteoriten aufgewirbelt werden.
Einmal aus dem Eisverbund gelöst, können diese winzigen Eisklümpchen bis zu 30 Kilometer weit fliegen, wie die Forscher berichten. Dadurch wird Wasser auf dem Kratergrund verteilt, aber auch bis auf den Kraterrand und in andere, wärmere Kraterbereiche getragen. „Bei jedem dieser Einschläge wird eine hauchdünne Schicht von Eiskörnchen auf diesen Oberflächen verteilt, die dann der Sonnenwärme und der Weltraumumgebung ausgesetzt sind“, erklärt Koautorin Dana Hurley von der Johns Hopkins University.
Hauchdünner Wasserschleier über den Kratern
Ein Teil des herausgeschleuderten Wassereises verdampft dadurch und kann so komplett aus dem Krater entweichen. Nach Schätzungen der Forscher setzt ein 40 Kilometer großer Mondkrater dadurch rund zehn Trillionen Wassermoleküle pro Sekunde frei. „Wir haben ermittelt, dass es über den polaren Kratern eine Wasser-Exosphäre geben müsste“, berichten Farrell und sein Team. Dieser hauchdünne Wasserdampf-Schleier über den lunaren Polkratern könnte für künftige Raumsonden nachweisbar sein. Denn pro Kubikzentimeter müsste es dort ein bis zehn Wassermoleküle geben.
Noch wichtiger aber: Durch diese ständige Erosion verändert sich die Oberfläche dieser Eisvorkommen ständig. „Es dauert weniger als 2.000 Jahre, bis ein halber Mikrometer der Eisoberfläche erodiert ist“, sagen die Forscher. Während die Einschläge und der Sonnenwind ständig einen Teil des Eises abtragen, kommt durch wasserhaltige Meteoriten aber auch neues Wassereis hinzu. „Wir können diese Krater daher nicht mehr als tote Wasserreservoire ansehen“, betont Farrell.
Wenige tausend Jahre statt Jahrmillionen
Das aber bedeutet: Das Eis in den Mondkratern ist vermutlich nicht Millionen oder gar Milliarden Jahre alt, sondern deutlich jünger. „Der größte Teil dieses frostigen Regoliths dürfte weniger als 2.000 Jahre alt sein“, berichten Farrell und sein Team. Die Hoffnung, in den Mondkratern Eisvorkommen aus der Frühzeit des Sonnensystems zu finden, ist daher wohl vergebens.
Doch die neuen Erkenntnisse haben auch etwas Positives: Bei künftigen Mondmissionen müssen Astronauten auf der Suche nach Wasser dadurch vielleicht nicht mehr bis zum extrem kalten Grund der Mondkrater hinunterfahren. „Unsere Ergebnisse sagen uns, dass Meteoriten uns einige Arbeit abnehmen und Material von den kältesten Stellen der Krater in seine Randgebiete transportieren“, sagt Hurley. „Dort könnten Astronauten das Wassereis mit solargetriebenen Rovern erreichen.“
„Wir brauchen Daten aus erster Hand“
Ob allerdings tatsächlich Wassereis auch an den Kraterrändern zu finden ist, werden wohl erst kommende Missionen zu den polaren Kratern zeigen. Rover oder Astronauten könnten dann erforschen, wie alt das lunare Eis tatsächlich ist und ob es eine Art Wasserdampf-Eiskreislauf auf dem Erdtrabanten gibt. „Wir brauchen Daten aus erster Hand um zu verstehen, was dort passiert“, sagt Hurley. (Geophysical Research Letters, 2019; doi: 10.1029/2019GL083158)
Quelle: NASA/ Goddard Space Flight Center